Hochwohlgebohrner Herr,
Insonders Hochzuverehrender Herr MinisterialRath!
Mit dem innigsten Danke habe ich es zu erkennen, daß Ew. Hochwohlgebohrn die Güte haben wollten, mich von den Gnädigsten Entschließungen S[eine]r˖ Maj˖[estät] des Königs selbst zu unterrichten. Wie vermöchte ich für ein so hochehrendes Vertrau’n, als Seine Kön˖[igliche] Majestät mir durch die Ernennung zum Generalconservator zu bezeugen geruht haben, hinlänglichen und würdigen Dank auszusprechen! Oder wie könnte ich von der andern Seite nicht die Grosmuth verehren, mit welcher S[ein]e˖ Kön˖[igliche] Majestät in Ansehung der pecuniären Verhältnisse auf meine Umstände so vorzüglich Gnädige Rücksicht genommen haben? Freylich ist es gewiß, daß ich mit 4500 fl. in München nicht so leicht als hier mit 3000 werde leben können, und die vollkommne Sicherheit, meiner Gesundheit dort alle Erleichterungen gewähren zu können, welche sie, leider, gebieterisch fordert, wäre allerdings erwünscht gewesen. Da aber, außerdem daß den gnädigen Willen des Königs zu erfüllen, sowie nur die Möglichkeit gegeben ist, mir über alle andern Erwägungen gehen muß, Euer Hochwohlgebohrn meiner etwaigen Besorgniß in dieser Hinsicht mit der gütigen Versicherung einer, ohne mein Zuthun, zu hoffenden vollständigen Beruhigung zuvorkommen, so werde ich mich diese Betrachtungen gewiß nicht weiter anfechten lassen.
Der Zug von München nach Erlangen hat mich gegen 500 fl. gekostet. Da aber in München durch den größeren Lohn für Handwerker und Arbeiter und inwiefern man dort für die Herrichtung der Wohnung selbst zu sorgen hat, die ersten Einrichtungskosten erhöht werden, so glaube ich den umgekehrten Zug nicht unter 600 fl. bestreiten zu können.
Noch erlaube ich mir, vertrauensvoll ein andres Verhältniß zu berühren. Der General-Conservator erhält unstreitig die Stellung eines Collegial-Directors. Schon vor erhielt ich durch Vermittlung Ihres verewigten Herrn Vaters als Gen˖[eral]Sekretär der Akademie der Künste eben diesen Character und Rang. Nicht zu meiner eignen Genugthuung, sondern weil man bey uns gewohnt ist, in Ansehung solcher Auszeichnungen Vergleichungen anzustellen, könnte ich wohl wünschen, bey dem Übergang zu einer, doch der Sache nach höheren Stelle die Auszeichnung zu erhalten, die einem Weiler nicht versagt wurde, von dem ich nicht einmal weiß, ob er als Studiendirector wirklich jenen Rang hatte. Ich wünsche dieß, wie gesagt, nicht um meiner Person willen, sondern zum Besten meiner Stellung und glaube dem Manne, der in dieser ganzen Sache so treu sich für mich verwendet, und nicht bloß als Gönner sondern als Freund gehandelt, wohl diesen Wunsch äußern zu dürfen.
Was an der Bestimmung meiner Verhältnisse vorzüglich mich erfreut, ist, daß sie mir so viel Muße und Freyheit läßt, mich dem Beruf als Lehrer zu widmen. Wie oft habe ich es mit Wehmuth empfunden, in Bayern so bald als Lehrer verstummt zu seyn, und besonders, daß mir nie der Beruf geworden, unmittelbar auf die eigentlich bayerische Jugend zu wirken, von der ich immer viel gehalten, aber besonders nachdem ich sah, wie in der kurzen Zeit der Blüthe von Landshut so manche treffliche Köpfe erweckt worden, und wie von dort aus binnen weniger Jahre unvermerkt ein ganz andrer Geist über Bayern sich verbreitet hatte. Dieser stille Wunsch ist mir nun, Dank sey’ es unsrem hochherzigen König, unter weit glücklichern Verhältnissen, als sich früher je denken ließen, erfüllt, und ich darf versichern, daß ich mit Begeisterung, mit inniger Liebe diesen Beruf ergreife, und durch keine Versicherungen, welche den Geist unsrer Studierenden als gegen die früheren Zeiten sehr gesunken darstellen, mich niederschlagen lasse. Mit Gottes Hülfe, und wenn mich nur meine Gesundheit nicht verläßt, hoffe ich schon mit dazu beyzutragen, ihn wieder aufzurichten. Was ist nicht möglich, wo der gute Geist von oben herabwirkt, die große Aufgabe unsrer Zeit, Durchdringung von Religion und Wissenschaft, eigene Angelegenheit des Regenten und der einflußreichsten Männer des Staates ist!
Von Anfang an habe ich den Ausgang dieser Sache dem befohlen, der die Herzen der Könige lenkt, und so darf ich annehmen: es ist Sein Wille, und furchtlos und mit bescheidnem Vertraun dem Rufe folgen. Mein Wunsch wäre: sobald als möglich; aber ich muß diesen noch einmal Carlsbad besuchen, dessen wiederholter Gebrauch mir bisher so große Hülfe geleistet, und eh’ ich dahin gehe, muß wenigstens Eine Arbeit noch vollendet seyn. Doch denke ich, gewiß in München einzutreffen, um bey’m Anfang des Wintersemesters schon eingewohnt und in äußerer Ruhe zu seyn.
Schubert wird nach München abreisen. Wie wohl wird es ihm seyn, wenn er erst Ihre persönliche Bekanntschaft macht, und wie werden hinwiederum Sie sich freuen, ihn in seiner ganzen persönlichen Liebenswürdigkeit und innern Herzensfülle kennen zu lernen! Bey der Gleichheit unsrer beyderseitigen Gesinnungen für ihn werden Sie es nicht mißdeuten, wenn ich einigermaßen für ihn mich bekümmert zeige. Doch, gewiß haben Sie bey Gelegenheit der Errichtung des Gen˖[eral]Conservatoriums für seine äußre Existenz schon gesorgt, und ich wünschte ihm daher nur noch wegen der drückenden Umzugskosten Erleichterung. Wäre es nicht möglich, sie ihm in Form einer Gratification für seine großen Verdienste um die naturhistorische Sammlung aus dem Fond der hiesigen Universität zu verschaffen? Er hat diese Sammlung durch seinen Fleiß und unermüdliche Thätigkeit, zum Theil nicht ohne eigne Aufopferungen, zu einem hohen Grade von Vollkommenheit gebracht, und was ihr an Mitteln abging durch seine Betriebsamkeit, durch emsige Benutzung glücklicher Zufälle und seiner persönlichen Verhältnisse, reichlich ersetzt. Die Universität wäre einer so ausgezeichneten Thätigkeit schuldig, von freyen Stücken sie zu bezeugen; aber direct oder indirect dazu veranlaßt würde sie ihm einstimmig dieses Zeugniß ertheilen müssen. Dieß nur als einen durchaus unmaßgeblichen Gedanken, den die Liebe zu unsrem Freund, dem ich selbst übrigens nichts davon gesagt, und der nach manchem Niederschlagenden der Aufrichtung bedarf, entschuldigen möge!
Als ich mir in Bezug auf Besetzung der Physik einen Wunsch zu äußern erlaubte, hatte ich nicht an Sieber gedacht, der zu meiner Zeit noch nicht Mitglied der Akademie war. Jetzt mögen wohl er und Stahl sich gegenseitig ergänzen. Übrigens wäre der Mann, den ich meynte, Herr Georg Friedrich Pohl, Professor am Joachimsthal˖[schen] Gymnasium zu Berlin, seiner selbständigen Experimentalforschungen wegen, gewiß eine gleich gute Erwerbung, wenn ihn Ew. Hochwohlgebohrn für die Akademie und die Universität in München oder auch für die Universität in Würzburg bestimmten. Ich würde mir nicht erlauben, so entschieden zu urtheilen, wenn nicht Männer vom Fach darinn einstimmten, z.B. Kastner, von dem ich ein darauf bezügliches Billet aus diesem Grunde beyzulegen mir erlaube.
Mit den Gesinnungen der reinsten und treusten Verehrung, und in der freudigen Hoffnung, ebendiese in der Folge persönlich und lebendig bethätigen zu können, verharre ich dankbarst
Euer Hochwohlgebohrn
ganz gehorsamster Diener
Schelling.
Erlangen den .