Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Herrn Director von Schelling

in

Erlangen

fr˖[ey] Gr˖[enze]

No. 30.

Geliebtester Freund

Die liebe Mutter ist nebst Cecilien heute früh abgereist, ihre liebevolle Nähe werde ich recht vermissen; bin aber nun froh daß Julchen bey mir geblieben, deren Unterstützung ich natürlich betarf, da ich meine Kur mit der größten Rigourosität brauche, so daß sie eigentlich meinen ganzen Tag ausfüllt; dagegen habe ich aber auch die Genugthuung daß es täglich doch etwas beßer geht, und die Wirkungen sich immer entschiedener und regelmäßiger zeigen, auch muß der Leib doch etwas abgenommen haben da ich meinen anschließenden Leibgurt um einen Fingerbreit [enger] machen mußte, welche Freude es mir war kannst du nicht denken; aber wahrhaftig noch mehr in Deine als meine Seele! Wollte doch der Himmel daß ich auch noch eine Weile Dir zur Freude und nicht zur Sorge in der Welt wandelte. ist ein bedeutender Tag, viel Freude und viel Leid hat er über uns gebracht; aber die erstere ist wenn ich mich prüfe doch weit überwiegend. Wie reizend und geistreich das Kind sich entwickelt ist nicht genug zu sagen. Einige Tage war sie etwas sanfmüthiger, die obern Zähnchen die nun auch glüklich durchgebrochen waren die Veranlassung. Könnte ich nur mit Dir Geliebter und allen theuren abwesenden Kinder, diesen ersten Geburtstag der holden Kleinen feyern. Heute habe ich eine kleine Wienerin gesehn, die unsern lieben Klärchen so ähnlich sah, daß mir das Herz laut geschlagen hat.

Lebe nun wohl, bester lieber Freund. No. 13 und 14 habe ich richtig erhalten. mögte die Flüchtigkeit des letztern von keiner unangenehmen Veranlassung herrühren. Gott sey mit Dir und behalte mich lieb.

P.

Die Kinder küße 1000 mal.