Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Frau Directorin von Schelling

in

Erlangen

über Bayreuth

fr˖[ey] b˖[is] z˖[ur] Gr˖[änze]

No. 4

No. 5

Du scheinst Dich also, Liebste, bestimmt darauf eingeschränkt zu haben, mir nur alle 8 Tage Einmal zu schreiben. Dein letztes Briefchen (No. 2) ist wieder vom und nur dießmal einen Tag früher angekommen. Herzlichst freue ich mich der guten Nachrichten von Dir und den lieben Kindern. Mögen sie nur ferner so lauten! Was meine Gesundheit betrifft, so geht bis jetzt, der höchst ungünstigen Witterung ohnerachtet, alles gut. Freylich hat alles seine Gränze und Wunder kann auch der Sprudel nicht wirken. Doch Gott sey gedankt, daß es so weit ist. Zu Deiner Ergötzlichkeit kann ich Dir melden, daß der alte Leibarzt Schaefer von Regensburg (Du erinnerst Dich wohl seiner, er curirte einmal eine kurze Zeit an Montgelas und besuchte mich mit Walther) dieser also, als er mich ansichtig wurde versicherte, er würde mich nicht mehr gekannt haben, so ganz habe sich mein Aussehen verändert, seit er mich, ich glaube anno oder , in München sah. Ein östreichischer Oberst vom Generalstabe, Begleiter des Herzogs Ferdinand von Wirtemberg, als dessen Arzt Schäfer mit hiehergekommen, versicherte wieder, daß ich im Vergleich meines Ausseh’ns im und (er war auch beydemal mit mir hier) ungemein gewonnen habe, endlich konnte der Herzog (die dritte Person dabey, und dem es mit dem Carlsbad geht, wie mir das erstemal) nicht umhin zu versichern, mein Aussehn sey gut. Wenn als auf dreyer Zeugen Mund die Wahrheit ruht, so kannst Du nicht zweifeln, daß ich gut oder doch besser aussehe, als vorher. Die Bekanntschaft des Prinzen macht mir viele Freude. Er ist unstreitig der ausgezeichnetste unter den Brüdern des verstorbnen Königs von Wirtemberg, hat bis in allen Kriegen Östreichs Armee-Corps commandirt, lebt aber jetzt schon lang als General-Commandant von Ober- und Unteröstreich ruhig in Wien; ist aber sehr kränklich, und will fast jeden Tag wieder fort, weil ihn das Wasser so schrecklich angreife. Hier wurde ich nun, ohne es zu wollen, durch das unbefangne Erzählen meiner Erfahrungen für den guten Schaefer wie erwünschter Beystand, und jederzeit wenn es fehlt werde ich wieder herbeygerufen. Der Prinz ist grade das Gegentheil von seinem weiland königlichen Bruder. Seine Höflichkeit geht so weit, in Verlegenheit zu setzen. Er hat mich mit ungemeiner Freundlichkeit als Landsmann begrüßt, mich auch gleich zu Tisch gebeten, obwohl (unter uns gesagt) zu einem sehr schlechten Diner. – Sonst sind noch immer wenig interessante Menschen hier, obgleich nachgrade die Zahl auf 150–160 gestiegen ist. Waren früher Herrn mein Hauptumgang so halte ich mich dießmal an die Frauen, die bey dem Mangel an Herrn es gar freundlich aufnehmen und höchst dankbar sind, wenn man einen Spazirgang arrangirt, oder sich ihrer beym Brunnen annimmt. Die Gräfin Hohenthal ist eine gescheidte, und in jeder Hinsicht, soweit ich es beurtheilen kann, höchst achtungswerthe Frau, mit der man leicht spricht und angenehm sich unterhält, an sie schließen sich denn auch andre an, die eine mehr die andre weniger interessant – alle aber gar gut. Auch eine Landsmännin aus Regensburg ist dabey, eine Frau von Baligand, sehr ärmlich, aber als eine geborne Dessauerinn gebildeter als das gewöhnliche bay˖[erische] Frauenzimmer. Pöschmann ist jetzt auch angekommen und hat mich heute besucht. Seine Anstellung ist wieder im weiten Feld und auf die lange Bank geschoben, was mir für ihn und seine Familie die er mitgebracht hat leid ist. – Der meinetwegen angekommnen Studenten werden so gar viele nicht seyn. Sag’ es nun gleich bey Schubert und überall rund und bestimmt ab, daß ich diesen ein ganzes Collegium lese. Daran ist nicht zu denken. Ich würde alle Würkung der Cur wieder aufheben. Ich muß mich schonen, um später etwas leisten zu können. Ein Publicum ja! aber nicht mehr! Auch der Karl Müglich aus Tübingen ist angekommen (er wohnt bey Steinhilber) Lad’ ihn Dir einmal zum Thee ein, es ist Dir eine Unterhaltung, und sage ihm gelegenheitlich daß ich die beyden Privat-Vorles˖[ungen] im Katalog ausdrücklich nur unter der Bedingung: Wenn es meine Gesundheit erlaube, angekündigt habe, und daß es nicht meine Schuld ist, wenn man in auswärtigen Zeitungen diese Einschränkung hinweggelassen hat.– Gott segne Dich mit unsern lieben Kindern, grüße und herze sie zärtlichst, meinem lieben Paul werde ich das nächste mal schreiben, heute ist meine Zeit sehr beengt. Wünsche mir nur bald gute Witterung, denn jetzt ist das Leben recht pénible, mit Mühe erhält man sich gesund, diesen Morgen um 5 Uhr war das Thermometer nur 50 über 0. Unter diesen Umständen muß man die ersten Becher zu Hause trinken. Hält denn Pfaff sein Wort nicht, Dich alle Tage zu besuchen? Grüße die beyden Freunde bestens, auch Herrn Dir˖[ector] Freudel, und sage auch Kastner’n eine Artigkeit von mir. Schreibe mir bald wegen der Heimfarth, sie ist unter den Leiden des hiesigen Aufenthalts mein liebster Gedanke.

Leb recht wohl, liebstes Herz, ich küsse Dich in Gedanken wie immer
Dein treuester

Sch