Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Frau Directorin von Schelling

in

Erlangen

No. 2

Liebstes Kind!

Ich schreibe Dir durch den zurückgehenden Kutscher, ich hoffe Du sollst auf diese Art schneller Nachricht erhalten als durch die Post.

Seit heute Nachm˖[ittag] 3 Uhr befinde ich mich hier, in der alten Wohnung zu den 3 Schwalben – es ist als wäre ich gestern hier gewesen. Meine Reise war, ohnerachtet des schlechten Wetters, am zweyten Tag, glücklich und schnell. Die größte Sehnsucht empfinde ich nun, bald Nachricht von Dir zu erhalten, und wie Du an dem schlimmen Tage zu Hause gekommen bist. Daß die starke Partie keine übeln Folgen für Dich gehabt hat, hoffe ich zu Gott.

Hier ist noch alles in einer mir sehr ungewohnten Stille. Die Läden der meisten Häuser sind geschlossen, überall hört man den Hammer, geht noch der Besen und Tüncher-Pinsel, von der Gränze fast bis vor Carlsbad sind die Wege noch im schlechtesten Zustand, so daß ich auf dem Wege von Franzensbrunn hieher 8 Stunden zubrachte, die Spaziergänge werden erst in Ordnung gebracht, noch fehlen die nöthigen Geländer hier und da, wie auch manche Bänke, indessen bestrebt sich der Einzelne sein Haus oder Häuschen durch neues Anstreichen der Läden oder andre Mittel bestens herauszuputzen, keine Bude ist noch geschmückt, keine Equipage rollt. Eine Badeliste habe ich noch nicht gesehen. In der kurzen Zeit meines Hierseyns habe ich 1) ein frugales (Nach)Mittagsmahl gehalten 2) meinen Coffre völlig ausgepackt und alles in Ordnung gebracht, 3) einen Spaziergang nach Posthof und durch die Stadt gemacht, 3) dieses Brieflein an Dich geschrieben – und werde nun noch vor Schlafengehen 4) lesen 5) Thee trinken 6) beständig an Dich und die lieben Kinder denken und 7) mir so wohl seyn lassen, als möglich ist, da ich schon völlig eingerichtet und zu Hause bin. Einen Vortheil habe ich noch, dieß Jahr den Frühling zweymal zu genießen, denn hier scheint so eben erst alles grün geworden, wenigstens sah’ ich bei Franzens-Brunn noch blattlose Eichen, selbst Pappeln, zum Theil, nur unvollkommen ausgeschlagen. Das sehr sparsam vertheilte jüngste Grün macht zwischen dem schwarzen der Kiefer-Wälder auf den Bergen einen sonderbaren Contrast; wenn man es sich auch beym ersten Anblick richtig erklärt, denkt man doch, so oft man viel hinsieht, es sey’n einzelne Sonnenblicke. Hier ist es heute wieder leidlich – fast zu warm, indem es den Anschein hat, als hielte das Wetter sich dadurch verpflichtet, die übermäßige Hitze täglich mit etwas Regen zu mildern – zu anhaltendem Regenwetter hat es jedoch Gottlob keinen Anschein.

Um was ich Dich nun recht ernstlich bitte, ist daß Du wohl bleibest, Dich tagtäglich mit Deinen Kindern und mit Deinem Schwesterchen recht vergnügt wohnst, zwar recht oft an mich denkest, aber ohne Sorgen und ohne zu lebhafte Sehnsucht, (mit der ich mir also, wie es scheint, schmeichle), und überhaupt auf die heiterste Weise. Küsse alle die Kinder zärtlichst in meinem Namen, und sage Ihnen alles Liebe und Gute von mir, was Dir einfällt und auf jedes Einzelne insbesondre paßt. Die herzlichsten Grüße an Julchen. Lebe wohl ich küsse Dich zärtlichst in Gedanken
Dein
treuester

Sch