An Herrn Director von Schelling
in
fr˖[ei] z˖[ur] G[ren]tze
St˖[uttgart] den .
Liebster Bruder!
Du hättest wohl Recht, wenn Du mich für undanckbar findest, daß ich Dir so lange nicht geschrieben, und Dir und Deiner lieben Frau nochmals für die so Vielfach erwießene Liebe und Freundlichkeit gedanckt habe, womit wir während unsres Aufenthaltes in M˖[ünchen] erfreut worden sind. Ich zähle jedoch auf Eure gütige Nachsicht, um so zuversichtlicher, als ich Dich versichern kann, daß ich seit meiner Rückkehr fast noch keinen Augenblick zur Ruhe gekommen bin, und meine Geschäfte vom ersten Tag meines Hierseyns an gleich wieder in unvermeidlichen Gang gekommen sind. Die Mutter wird Dir geschrieben haben, daß wir von Augsburg an nach 4 Tagen wohlbehalten hier angekommen sind. Wir machten den Weg über Blaubeuren und durch Verirrung über Urach, wo wir aber des Herrn Onkels, weil sie eben in die Kirche gegangen waren, nicht sprechen konnten. Oft habe ich es bedauert, daß ich die 4 lange Tage, welche wir auf diesem Wege zubrachten, nicht in Eurem Umgange zubringen durfte. Unser kranckes Pferd hat sich auf der ZurückReise eher gebeßert als verschlimmert, und wird in einigen Tagen vollkommen hergestellt seyn. Daß in unsrem Lande Alles Obst und der Wein erfroren ist, haben wir schon in Augsburg erfahren, und es wieder vollkommen bestätigt gefunden, was besonders die Reise durch das Uracher Thal fast allen Reitz benahm, während sie unter andern Umständen äußerst angenehm hätte seyn müßen. Ungeachtet ich mich seit meiner Zurükkunft so sehr anstrengen muß, als je vorher, so fühle ich mich doch immer so bei Kräften, daß ich mich selbst darüber wundere. Jezt würde mich übrigens Deine Frau keinen Wiener mehr heißen; es ist aus mit dem Leben à la Wien, und in jeder Rücksicht sind andere Seiten aufgezogen. Was macht denn unser lieber kleiner Paul? Schreibe doch immer auch etwas von ihm, da wir uns so gern von ihm unterhalten. Eher zu gerne hätte ich ihm von Ulm aus seine Leibspeise zugeschickt, wenn ich nicht gedacht hätte, das Brod möchte zu alt werden, und Paul seine jungen Zähne wieder daran üben müßen. Bei unserer Schwester trafen wir bei unserer Zurückkunft 2 Patienten an, die Gustel nämlich und den Adolph. Die erstere ist wieder gut, dieser aber hat ein so hartnäckig heftiges Fieber und einen so gewaltigen Husten, daß ich fürchte, Seine Lungen möchten Noth gelitten haben. Der Brief an Cotta, von welchem Du mir in Deinem Brief geschrieben, daß Du nur ihn den andren Tag schicken wollest, habe ich bis Heute nicht erhalten, und es ist nun der , weil ich und an der Ausfertigung dieses Briefes verhindert wurde. Meine Frau wird wo möglich auch noch heute an Deine liebe Frau schreiben sollte es nicht
Nun leb recht wohl und gesund! Die besten Empfehlungen an Deine liebe Frau sammt unserem nochmaligen herzlichsten Dank für alles Gute, das uns bei Euch zu Theil wurde! Dem lieben Paul grüßen wir alle, und wünschen ihm Heil und Seegen.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Karl.
Den Aufsatz vom Special Jäger habe ich vergeßen. Wenn Du doch Gelegenheit finden könntest, denselben mir zuzuschicken.