Mein verehrtester Herr Hofrath,
Wie freute ich mich bei Empfang Ihres theuren, freundschaftlichen Schreibens, denn ich hatte bereits das Heft zurecht gelegt und hatte es den nächsten Tag zum Buchhändler bringen wollen. Ich gestehe Ihnen indeß, daß ich es noch immer mit einiger Scheu behalte, denn wenn ich es lese, so sagt mir manche Idee so zu, daß sie die Kraft der Wahrheit über mich ausübt, das heißt daß ich mich ihr unterwerfe, und wie sollte man dann das nicht, wenn der Gegenstand berührt wird, aussprechen! – Zu meiner und Ihrer Beruhigung kann ich aber hinzufügen, daß es lange dauern wird, ehe ich etwas Systematisches schreiben werde. Ich will noch allerlei lernen; deshalb lasse ich, da jetzt die 3te Auflage meines Sündenbuchs gedruckt wird, alles unverändert, weil stückweise abändern nicht möglich ist, und ich glaube, daß von einem untergeordneten Standpunkt aus das Meiste seine Wahrheit hat, obwohl eine einseitige und darum eben untergeordnete. Wie ich das Buch ansehe, kann es nur als Erguß gefaßt werden.
Es hätte zu den wehthuendsten, tief einschneidendsten Erfahrungen meines Lebens gehört, wenn Ihr erster Brief an mich der einzige gewesen wäre, dem Herrn sei Dank, daß es sich nun anders gestellt hat. –
Ich schicke Ihnen und Schubert die versprochne Medaille. Ich hätte Ihnen gern sonst noch etwas mitschicken mögen, und dachte an meine Blüthensammlung, aber Sie hatten erwähnt, daß Sie sie sich gleich kommen lassen wollten. So wußte ich nicht ob ich zu spät käme. Wäre das nicht der Fall, so möchte ichs noch gern wissen.
Ich habe nun noch eine Bitte an Sie, nicht an den Präsidenten der Akademie, auch nicht an den Philosophen der Deutschen, sondern an den Freund des Reichs Christi auf Erden. Mehrere aus verschiedenen Facultäten werden ein Litteraturblatt für Ch[ri]stliche Theol˖[ogie] und Wissensch˖[aft] überhaupt herausgeben, worin auch ältre Sachen, nur alles in gutem Geist, angezeigt werden sollen. Wollten Sie etwa alle halbe Jahre ein Blättchen dazugeben, so würde diese gute Sache mehr als durch alle Mitarbeiter gefördert – etwa über eine Badersche oder Böhmische od˖[er] St Martinsche Schrift in Bezug auf ächtchristliche Philos˖[ophie], oder auch über Voigts Buch. Ihnen kostet es wenig, für die Sache ist es viel. Ich erwarte nicht auf diese Zeilen eine Antwort, sagen Sie sie aber gefälligst Schubert, der es mir gleich schreiben soll. Auch mein persönlicher Dank wird sehr lebhaft seyn.
Meine Gesundheit ist um vieles besser, ich habe aber auch viel zu thun übernommen, und bin wieder mit rechter Liebe
Der Herr segne Sie und Ihr Haus reichlich.
In größter Verehrung
Ihr innigst ergebener Diener
A Tholuck