Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Dem Herrn Director und Ritter

von Schelling, Hochwohlgebohren

in

München

fr˖[ei] Grenze

Lieber Schelling!

Mit vieler Freude denke ich an die schönen Stunden, die ich in München verlebte. Und was ich voraussah ist wirklich eingetroffen. Sie sind mir in mehr als einer Rücksicht sehr wichtig geworden. Die Naturphilosophie trage ich diessmahl mit viel mehr Lust vor, sie selbst beschaeftigt mich, auch in einzelnen und eigentlich philosophischen Theilen viel lebhafter als sonst – Ja, bester Freund! die wenigen Tage habe mir in der That in die herrliche und heitere jugendliche Zeit zurückversezt und noch immer hoffe ich, dass wir in Verbindung mit einander manches, wie damals, hervorbringen werden. Mein Wunsch den naechsten mit dir zuzubringen ist eben so lebhaft; ich habe desshalb nichts thun können, weil der Staatskanzler nicht in Berlin ist. Neulich hat Schuckmann das Ministerium der Cultur verloren, es ist Altenstein übertragen; aber noch kenne ich nicht mein Verhältniss gegen ihm, obgleich er selbst mir wohl bekannt ist. Es ist ein guter Mensch, aber eigentlich ein etwas eingeschraenkter Pedant, dessen Lieblingsstudien Botanik und gerichtliche Arzneykunde sind – Unglücklicherweise wird er von einen Menschen regiert, der von der allerbizarresten Art ist – ein gewisser Staatsrath Schulz, der einst mein Anhänger war. Waehrend meiner Abwesenheit im Kriege glaubte er mit meiner Frau unzufrieden seyn zu müssen und behandelte sie auf eine aufallend kraenkende Weise. Die arme Frau, die sein Verhältniss gegen mich kannte gerieth in Schrecken und liess sich meintwegen mehr gefallen, als sie sollte. Sie beschwor ihm, doch nur zu sagen, was sie verbrochen hatte. Er schwieg. Als ich zurückkam schrieb ich ihm, auf die gutmüthigste Weise, wie man einem Manne schreibt, der Monathelang alle Tage bei mir war, der mir voller Begeisterung gestand, dass er mir den ersten Anstoss zur wissenschaftlichen Bildung verdankte – und die Bestie glaubte noch den Staatsrath dabei spielen zu können. Dieses nichtswürdige Abweisen eines so herzlichen Entgegentretens entrüstete mich, und er hat, auch öffentlich und bei meiner Anwesenheit in Berlin diesen , solche Beweise meiner innigsten Verachtung erhalten, dass er sie, auch als Mann, nicht hätte dulden sollen – Nun hat Gott, mir zur Züchtigung, mich in seine Hände gegeben. Doch denke ich, sind seine Hände zu breyartig, ich so hart, dass er beim Zudrücken mehr Schmerz fühlen soll, als ich Reiner stand ich nie gegen irgend einen Menschen, als gegen diesen. Indessen, siehst du, bin ich aus dem Regen in die Traufe gekommen. Doch hoffe ich noch durch Gneisenau, der viel vermag und sehr für mich eingenommen ist, durch Hardenberg selbst, vor allem durch den naturphilosophischen Sonettenkraemer und protegirenden Juden Koreff, vieles auszurichten. Ich will nach München und da sollte es doch mit den Teufel zugehen, wenn nichts daraus würde. Ich hätte dir vielleicht erst geschrieben, wenn ich in dieser Sache etwas heller sähe, wenn ich nicht jezt eine Veranlassung hatte. Die hiesigen Catholiken finden sich etwas zurückgesezt, man will sich nach ihnen richten und ihnen einen catholischen Philosophen geben. Das Subject für die catholisch-philosophische Professur auszusuchen steht, freilich auf der zweyten Hand, jezt in meiner Gewalt. Versäumen wir die Gelegenheit so wendet man sich an die hiesigen Pfaffen, und das müssen wir auf allen Fall vermeiden. Solltest du nicht jemand kennen, der gern eine solche Professur hier, wo doch die liberalsten Gesinnungen herrschen annehmen möchte? Das Gehalt würde, besonders, wenn es ein Mann von Ruf waere, nicht unbetraechtlich sein. – Ich würde unbedenklich Möller vorschlagen; aber einen Renegaten nimmt man nicht. Ich bitte dich, wenn dir Jemand einfallen sollte, ja, wenn auch nur mit paar Zeilen, mit der umgehenden Post zu antworten; denn ich werde gedraengt.

Und nun bezeuge ich dir nochmals meine innige Freude über das erneuerte Leben, über die herrliche Art, wie wir uns wiederfanden und wechselseitig wieder erkannten – Wie schön und heiter erschien mir auch dein häussliches, dein eheliches Verhältniss, deine liebliche, vortreffliche Frau, deine schönen Kinder – Du muss deine Familie, deine Kinder grüssen, du muss deine Frau sagen wie unbeschreiblich ich sie verehre und liebe. Ich war nie eigentlich von dir getrennt und doch ist es mir, als gehörte ich dir jezt inniger an, und mit derselben auf das Gröste und Höchste gerichtete Erwartung mit der ich dich, dich allein, als wenige auf dich achteten, vor nunmehr fast , aufsuchte, will ich dich wieder aufsuchen, möchtest du auch wiederfinden, was du mir so oft gesagt hast, das du damals fandst –.

dein

Steffens