Dem
Herrn Director Dr. FWJ von Schelling
H[och]W[ohl]G[eboren]
in Erlangen
Genua; am .
Mein geliebtester verehrter Lehrer und Freund.
Ich habe Sachsen abermals verlassen, um noch den Anblik Italiens zu geniessen. Verzeihen Sie, dass ich Sie nicht bei meiner Durchreise besuchte: aber ich hatte Ursache, wenig Geräusch in Erlangen zu machen; denn ich schulde dem Schneider Gösel noch 145 fl. und der Mann benahm sich vor meiner Abreise aus Erlang im etwas unfreundlich. Aber ich werde immer mit Wärme und Liebe an unsere Spaziergänge denken und an Ihres Hauses Freundschaft. – Ich bin über den Splügen gereist: da sah’ ich die riesige Kunststrasse, die mir einige Achtung gegen Östreich ein flöste. Freilich trieb hier ihr Handelsvortheil. Die Kastanien- und ÖlbaümeWälder, die Cypressen-, Feigen-, Oleander und Pomeranzenpflanzungen können Sie Sich wohl vorstellen: sie haben einen wohlthätigen Eindruk auf mich gemacht. Nervi, 2 Stunden östlich von Genua, bietet einen ganz neapolitanischen Punkt dar. Es fehlt nur der Vesuv, glaub’ ich. In Pavia sah ich ein herrliches Naturalienkabinet, prächtige Madreporen überhaupt einzige Zoofyten, Löwen, Elefanten, Zebras. Beim Durchfliegen der köstlichen Bibliothek fiel mir ein Werk von A Humboldt in die Augen. Die Studenten, mit denen ich lateinisch redete, zeigten mir altrömische Inschriften, die in neue Universitätsgebäude-Mauern eingemauert waren. Ein prachtvolles UniversitätsGebäude, weit, breit, lang, aber nur ein Stokwerk hoch, unter Gänge, wie in Pforte. Auch hier in G[enua] ist ein prachtvolles Universitäts Gebäude, aber keine Universität mehr. Spuren nicht blos sondern unzählige Verkünder der ehemaligen Grösse dieser Republik: besonders zahllose Paläste in allen bekannten und in eigenthümlichen Bauarten. In den Strassen ist ein Leben: da begegnen Einem Türken, Mohren und allerlei Volk und Gesindel. Es ist eine sehr gute strenge Polizei hier. – Zach lebt mit der zerwittweten Herzogin von Gotha hier; auch Lord Byron, der jezt verreist ist. Vielleicht mach’ ich ihre Bekanntschaft. – Ich bin recht glüklich, wieder einen bestimmten Wirkungskreis zu haben. Ich unterrichte eine Anzahl blühender Kinder von der deutschen Schweiz und werde bald oft hier predigen. Examirt bin ich in Dresden: ordiniren lass’ ich mich vermuthlich bei den Waldensern. Zulezt gehts wol auch gar einmal über’s Meer nach Rom. –
Empfehlen Sie mich Ihrer Gemalin, Fraülein Gotter und Ihren Kindern; auch dem guten Schubert und Pfaff, wenn ich bitten darf. – In Hinsicht auf die Filosofie will ich, wenn mir Muse bleiben sollte, Cicero wegen des Lateins und Tennemann fleisig lesen, um womöglich eine andre Dissertation zu Stande zu bringen als die »De Historia veterum Hebraeorum docenda« ist. Hier wimmeln die Gassen und Lustgänge von Pfaffen, die sich hier für die grösten Filosofen halten, wie Ammon sich für den grösten in Dresden.
Gesundheit und Glük wünschend immerfort
Ihr
dankbarer
K Müglich
Sollten sie die Güte haben wollen, mir zu schreiben, so schikken Sie den Brief an Herrn Forster in Augsburg!
Lassen Sie gefälligst Ihrem Stiefelwichser den beigeschlossenen Brief besorgen.