Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Noch lange hätte ich Ihnen, Verehrtester, nicht geschrieben, wäre ich jetzt nicht gezwungen. 3 Monate gehe ich mit einem Briefe an Sie um, und fürchte mich der Sünde, Ihre edle Zeit durch das Leßen meines Schreibens zu verderben, und begreiffe nun gar nicht, wie ich die Dreistigkeit haben konnte, Ihnen die Zeit, so viele Stunden zu rauben. Doch lassen Sie sich diese Stunden nicht gereüen, Sie haben meinem Gemüthe eine Richtung gegeben, wofür ich Sie ewig segnen werde. Manches, was dunckel in mir lag, ist mir nun helle, und ohne daß Sie es wollten, führten Sie mich mehr nach Innen, und eine andere Welt öffnete sich mir, was vorher Ahndung war, wurde Gewißheit. Wahrhaftig mit wahrer Ehrfurcht dencke ich der Stunden, welche ich so glücklich war, in Ihrem Umgange zu verleben, und nur Sie sind es einzig und allein, den ich vermisse, und nur Sie sind es, der mich anzieht nach München; und mir den Gedanken, wieder dahin gehen zu müssen, zu einem angenehmen Wunsch macht. Indessen bitte ich Sie ja nicht zu glauben, daß ich meine Dienst-Verhalltnisse mit andern in München vertauschen werde; daß ich, mein Verhalltniß als Abgeordneter für mein personliches Interesse benutzt hätte, glauben Sie gewiß nicht, wenn es auch die ganze Welt sagen würde. Im Gegentheile versichere ich Sie, daß mir dies Verhalltniß die Nothwendigkeit auflegt, in meinen dermaligen Dienst-Verhalltnissen zu bleiben, um ja auch den Schein zu vermeiden. Diesen Entschluß habe ich am gehörigen Orte und gehörig laut erklärt. – Wie Sie wissen, habe ich hinsichtlich des Militairs und anderer Gegenstände nur nach meiner innigsten Ueberzeugung gesprochen; und obgleich haufig und von vielen misverstanden, freue ich mich täglich mehr, so gesprochen zu haben. Nun nach dem Carlsbader , nach den Erscheinungen mit den Juden, nach den Verhaftungen in Preußen, nach den jungsten Bewegungen der französischen Ultras etc. etc. werden Sie vielleicht mit mir glauben, daß eine Auflößung unserer Versammlung von vielen gewünscht wurde, und daß sie ein Unglück fur Deutschland und die Sache der Verfassungen geweßen wäre. Der Würtenbergische VerfassungsEntwurf wird der guten Sache nicht föderlich seyn. Alle aufgenommenen liberale Ideen sind nur Blendwerck, der Keim des Todes liegt in ihr. Der beständige Ausschuss ist das Grab einer kräftigen Repräsentation, und das königliche AbolitionsRecht ein Gespötte des Gesetzes. Dies sind Wurmstiche in das Marck des kräftig scheinenden Baums. Schon ließ sich von da aus nichts ganz Wahres erwarten, da die Regierung die hellen Köpfe mit so großem Eifer von den Wahlen zu entfernen suchte, und größtentheils in ihren Operationen glücklich war; und nun werden gemeine Mittel angewendet, um die Versammlung gar nicht zum Bewußtseyn kommen zu lassen. Wäre unsere Versammlung ohne Resultat geblieben, dann gute Nacht Reprasentation fur Deutschland, dann war die Revolution unvermeidlich. Nun ist doch die Hoffnung da, für eine Evolution im gerechten Gange, wenn nämlich die Regierungen die Zeit und die Bedürfnisse Ihrer Völcker begreifen.

Doch etwas von der Angelegenheit, welche mich Ihnen zu schreiben nöthigt. Ich habe mich überzeugt, daß Sie von Ihrem Weinhändler schlecht bedient werden. Weintrincken ist für Sie! für Ihre Lebens- und BeschäftigungsArt Bedürfniß, und zwar reinen, guten, alten Wein. Mein Vorsatz war sogleich, diese Sorge zu übernehmen. Sie werden also dieser Tage ein Faß Wein erhalten, was ich für Sie ausgesucht habe, und wovon Sie nach Bedürfniß ohne alles Bedencken trincken dürfen. Sie erhalten es frey in Ihr Haus geliefert. Lassen Sie es 14 Tage liegen, dann ziehen Sie es ab in Boutteillen oder theils in Flaschen theils in ein reines kleineres Faß. Trincken Sie diesen Wein ohne Bedencken, ich bin überzeügt, daß er Ihrer Gesundheit zusagt; es ist 1798er also ohne alles wilde Feüer. Wenn ich nach München komme, dann wollen wir schon rechnen; geht der Wein auf die Neige, so erbitte ich mir Nachricht, damit ich andern senden kann; denn es ist ein HaüptFöderung der Gesundheit nicht zu vielerley Weine zu trincken; und ich werde immer solchen senden, welcher entweder derselbe ist, oder doch ähnelt. Sie, wie so viele andere Münchner Herrn begehen den Fehler, zu vielerley Weine an Tafeln zu trincken. Thun Sie dies ja nicht, bleiben Sie bey jedem Tisch nur bey einem Weine, und trincken Sie überhaupt an fremden Tischen wenig Wein. Er taugt in der Regel nichts, und ist ein schleichend Gift. Ohne meine Mäßigkeit im Genuß des Weines in München, läge ich dort begraben; meine Kranckheit war von der Art, daß ich nahebey selbst die Hoffnung der Genesung aufgab, und nur der kräftigen Einwürcken Ringseisens dancke ich daß ich den Muth nicht verlor, und gerettet wurde. Wäre der Geist unterlegen, so war der Körper ohne Rettung verloren. Und gerade in der Zeit mußte ich des Trostes entbehren, Sie sehen zu können. Das war mir das härteste, und das Abgehen müssen von München, ohne Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin für die Güte dancken zu können, mit welcher Sie mich aufnahmen. Auch die Frau von Koehler sah ich nicht mehr. Gerade die beyden Damen, welche ich so aufrichtig verehrte, unter der großen Menge Frauen, sollte ich nicht mehr sehen. Doch ich hoffe Sie alle wieder zu finden, da ich nun durch die Pflege und Sorgfalt meiner lieben Frau nahebey ganz hergestellt bin, und nun keine weitern schlimmern Folgen fürchte.

Sie um Antwort bitten, traue ich mir nicht, Ihre Zeit hat eine höhere Bestimmung, lassen Sie mich nur wissen, ob Sie den Wein gut erhalten haben, er Ihnen zusagt, und Sie meine Sorgfalt, hervorgegangen aus wahrer Liebe für Sie nicht übel deüten.

Der gnadigen Frau küsse ich die Hand, und versichere Sie meiner hochsten Achtung.

Sie sagten mir öfter, daß Sie vor meiner Abreiße noch etwas mit mir zu reden hätten, oft schon erinnerte ich mich dessen. Daß ich es sehr bedauere, dies nicht erfahren zu haben, werden Sie sehr natürlich finden.

Noch hätte ich freylich eine Bitte auf dem Herzen, die ich kaum auszusprechen wage. Doch Sie nehmen solche nicht übel. In diesem Jahre ist die Weinleße sehr ergiebig in Francken und bey uns; und die Leße wird sehr lustig. Zu Ihrer Unterhaltung und zur Erheiterung Ihrer Frau Gemahlin und Familie würde es sehr beytragen, wenn Sie sich entschließen konnten, bey uns den zuzubringen. In meinem Hause wird das Hauptquartier aufgeschlagen, und von da aus die Excursionen in die Nachbarschaft gemacht. Lange Weile sollen Sie nicht haben. Meine Frau verbindet ihre Bitte mit der Meinigen. Auch Ihre Kinder geniren nicht, da auch wir Kinder haben, und die Kinder sich auch gewiß gut vertragen. Überlegen Sie die Sache, und im Falle der Möglichkeit lassen Sie keine Fehlbitte thuen

Ihren
gehorsamsten

Dr Häcker Ldst.