ich bin sehr beschämt, verehrtester Freund! das zweite schäzbare Schreiben von Ihnen zu erhalten, ehe ich noch das erste beantwortet habe. Um nicht dem Verdacht der Gleichgültigkeit mich auszusezen, muß ich nun gleich mit dem Entschuldigungs-Geschäft beginnen. ich hatte nehmlich Ihre Erinnerungen gegen Sigwarts Lehrbuch, nehmlich gegen die bezeichnete Stelle, dem Verfasser mitgetheilt, und darauf einige Bemerkungen von ihm erhalten, welche ich nicht nur Ihnen zusenden, sondern auch mit etwas eignem begleiten wollte. Allein meine Berufs-Geschäfte sind noch immer so gedrängt, daß ich zu lezterm nicht mehr gelangen konnte. Dies allein ist der wahre Grund meiner Zögerung: ich eile zur Hauptsache.
Mit der grösten Freude vernahm ich schon von dem Herrn Bruder die Nachricht von den glüklichen Wirkungen des Carls-Bades: gedoppelt stark ward sie, als ich sie durch Sie selbst bestätigt erhielt. Gott sey gelobt, der Ihnen Ihre Gesundheit wieder schenkte, und Sie, das Werk des Herrn zu treiben aufs neue in den Stand sezte: mögen doch nie wieder ähnliche Stöhrungen eintretten. Zu der Hofnung, meinen Innigsten Wunsch erfüllt zu sehen, berechtigt mich Ihre in dem zweiten Schreiben angekündigte Orts-Veränderung. Allerdings hatten Sie während Ihres hiesigen die Güte, mich von diesem Projekt zu benachrichtigen: es mus tief in Ihrer Seele gelegen, und wohl gewurzelt gewesen seyn, daß selbst die Genesung von Carlsbad her Sie nicht davon abbringen konnte. Ubrigens müsten Sie, V˖[erehrter] F˖[reund] selbst der beste Richter in dieser Sache seyn: und was die äussern Umstände betrift, so kan ich sie nicht anders, als sehr vorteilhaft für das Werk, das das Ihrige ist, und für die Erweiterung der Wissenschaft, die Sie sich seit lange mit so vielem Ernst angelegen seyn liessen, ansehen. ich halte den Akademischen Unterricht für den Gelehrten, der weiter schreiten will, als ein beinahe unentbehrliches Vehikel an, denn nur durch die Mittheilungen als Lehrer erhält der Geist Anregungen, zu denen er vielleicht wohl auch, aber doch weit später gelangt seyn würde. Und wenn vollends alles mit Freiheit der eignen Musse, wie bei Ihnen, überlassen ist: dann fällt das lästige der Pflicht-Übung weg, das der freien Evolution doch auch manchmal hinderlich ist.
Daß Ihr König Sie so liberal behandelte, ist
Ihr naher Abzug läst Ihnen wohl jezt keine Zeit, litterärischen Angelegenheiten Gehör zu schenken: ich erspahre daher alles, bis Sie zu Erlangen fixirt sind. Nur eines möchte ich Sie fragen, ob Sie denn auch schon das Opus Postumum von Fichte, seine Staats-Lehre durchsehen haben, die in diesen Augenbliken vor mir liegt. Ganz unerwartet findet man da ein Christliches Religions-System, das mich aber so wenig erbaut hat, daß ich zu Fichte’s Ehre wünschte, es nie gesehen zu haben. Die Abhandlung ist vollgepfropft von Schriftstellen, aber man geräth in Versuchung zu sagen daß F˖[ichte] die Bibel in dem Geiste des T˖[eufels] zitirt. Empfindliche Gemüther könnte wahre Blasphemien, besonders über die Trinität, und die Person Christi darinnen finden. Gott bewahre uns vor solchen Exegeten. Die Herren Paulus et Conss. werden sich freilich an dem Gott, den er in den Ruhestand versezt hat, sehr erlaben.
Noch eine Zweite Frage: das M[anu]sc[ri]pt aus Süddeutschland, das in Frankfurt sogar verboten wurde, und welches es mit Bayern so herzlich gut meint, wird Ihnen wohl auch zugekommen seyn. Aber war ist der Verfasser? Hier sagt man Tschokke, dictirte de Montgelas. Unserm Könige hat das Buch sowohl gefallen, daß er nur bedauert, es nicht verbieten zu können – damit es – desto häufiger gelesen werde.
Daß Sie Ihre Kleine Ihrem Herrn Bruder und seiner werthen Frau überlassen haben, dadurch haben Sie diesen lieben Leuten nicht nur große Freude, sondern meines Bedünkens, auch etwas gutes gemacht. Bewürken Sie doch, daß so auch in mein
Meine liebe Frau macht mit mir der Frau Gemalin ihre gehorsame freundschaftliche Empfelung. Genehmigen Sie meinen innigssten Wunsch eines glüklichen Umzugs, und die Versichrung meiner unauslöschlichen
ganz den Ihrigen
Georgii