Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Ich lasse mich nicht irre machen, bester Schelling! Ihnen immer wieder zu schreiben, wenn Sie uns auch nicht antworten, weil ich mir gern einbilde, es sey Ihnen nicht unlieb von zeit zu zeit von uns zu hören, und endlich kömmt doch auch einmal wieder ein Briefchen von dem lieben Freunde, das denn freylich nicht des langens Erwartens bedürfte um mit der lebhaftesten Freude bewillkommt zu werden. Wir haben indeß gegenseitig mündliche Nachricht von einander erhalten – bey Ihnen wird Professor Köthe aus Jena gewesen seyn und meine Zeilen mit den besten und freundlichsten Grüßen Ihnen überbracht haben, und uns ist die Freude geworden durch Frau von Martini Ihres lieben Andenkens versichert zu werden; leider war ich noch nicht anwesend, aber ich hoffe sie bei ihrer Rückreise zu sehn und ihr diese Zeilen für Sie mit zu geben.

Der herannahende hat mich endlich wieder in die Stadt und die Sehnsucht in die Heymath geführt. Mit still regem Herzen trennte ich mich von Bäumen und Himmel, und nun kann ich mich nur mit Mühe wieder an die Häuser und an den beschränkten Horizont gewöhnen. – So umgeben von Gottes schöner Welt, da heißt das Leben erst Leben!

Bey diesen göttlichen ist es mir oft in Sinn gekommen, ob Sie, lieber Freund, Ihren Plan vielleicht noch ausführten und uns besuchten? Ich hätte mir das recht hübsch ausgemahlt und hin und her überlegt wie es wohl möglich und thunlich wäre, und habe meine Freude daran gehabt; nun hat aber freylich immer die Betrachtung, wie tief wir schon im sind, jeden herzlichen Wunsch wenn er sich regte unbarmherzig unterdrückt. Der wird es beßer meinen und fest halten wir uns an die frohe Aussicht, daß er das ersehnte Wiedersehn herbeyführen soll. Ich wiederhohle Ihnen nochmals, bester Schelling! im Nahmen der Mutter und Schwesten , daß wenn es Ihnen Schwierigkeit macht, die Grenze von Baiern zu überschreiten, wir mit Freuden bis Cronach, Lichtenfels, Bamberg, wohin es Ihnen am gelegensten ist Ihnen entgegenkommen. Mit dem Thüringerwald sind wir so befreundet, daß wir uns nicht im mindesten scheuen ihn zurück zu legen, und am wenigstens soll er uns ein Stein des Anstoßes werden, wenn wir einen so werthen Freund entgegengehn.

In Weimar habe ich jetzt 8 Tage zugebracht und mich gefreut den lieben alten Herrn wohl und heiter zu finden; leider haben wir uns aber nicht so oft gesehn, als wir wünschten – die wunderlichsten Verhältniße traten dazwischen und verdarben uns den Spas. Dort habe ich mich von Neuen an dem standhaften Prinzen ergötzt, es ist zu bewundern mit welcher Kunst sie die Schwierigkeiten der Aufführung überwunden haben. Ihr Sänger Brizzi wurde erwartet, dem es wohl seltsam vorkommen mag mit diesem kleinen Orchester sich hören zu lassen. Wenig Wochen vor mir war auch die pilgernde Thörin Bettine in W˖[eimar], doch soll sie etwas solider und vernünftiger als Frau von Arnim sich gezeigt haben. Goethen mochte ich nicht nach ihr fragen, er will nichts mehr von ihr hören und sehn, nach einem heftigen und pöbelhaften Streit, der sich zwischen ihr und Frau von Goethe an einem öffentlichen Orte begeben hat. Daß die Gemeinheit nur von einer Seite obwaltete, hoffe ich zu Bettinens Ehre; wenigstens ist es nur von dieser zum Handgemenge gekommen, wenn man so sagen will, indem sie der unglücklichen Bettine die Brille von der Nase gerissen und auf dem Boden zertrümmert hat. Es wäre wohl zu wünschen, daß sie Jederman so die Augen über sich öfnete, wenn auch auf eine etwas sanftmüthigre Weise.

Daß Werner sich in Rom nun gänzlich dem Catholicismus zugewendet und sogar den Priester-Dienst dort versieht, ist Ihnen wohl schon bekannt? Nach dem er Luther ein Denkmahl errichtet, ist es doch eigen! –

Unsre Hausgesellschaft habe ich durch eine kleine Landsmännin von Ihnen vermehrt gefunden, eine Tochter von Banquier Schätzler aus Augsburg, die die Mutter sehr gebethen worden ist zu sich zu nehmen, eine treuherzige muntere Schwäbin, und dieses heitere Glied unsres kleinen Kreises ist mir nicht unlieb, bei Allem ernsthaften was mich umgiebt. Außer diesen nächsten lieben Umgebungen hat Gotha wenig erfreuliches für mich; es ist mir aber auch immer am liebsten so ganz auf diese nächsten geliebten Wesen beschränkt zu seyn. So eine gute Mutter zu besitzen wie die unsrige ist das größte Glück im Leben – es sind Empfindungen aus dem Himmel! – Daß doch München so entfernt ist! daß wir nicht in einer Stadt leben können, bester Schelling! das thut uns oft recht weh. Frau von Martini wohnt mit Ihnen in einem Hause – wir haben sie recht darum beneidet, sie kann unmöglich dieß Glück so fühlen, wie wir es, Ihnen, so eng verbunden, empfinden würden. In solcher Nähe kann man seinen Freunden erst zeigen, daß man ihnen etwas seyn möchte. – Ein neuer Schlag hat Sie betroffen, lieber Schelling, in Carolinens Seele haben Sie den Tod des Bruders gefühlt; – so hat denn diese unglückselige Krankheit ihre zerstörende Gewalt an einem neuem Gliede dieser Familie bewiesen? – es wird Sie tief erschüttert haben, wie es auch uns gewaltsam ergriffen. Wohl ihr, daß sie da ist, wo kein irdischer Schmerz sie mehr berühren kann! diesen Lieblings-Bruder zu verlieren wäre ein hartes Schicksal für sie gewesen. Durch die Zeitung wurde uns dieser Tod bekannt; aber haben wir auch Briefe von Marburger Michaelis erhalten, der eine Tochter seines Bruders zu sich nehmen wird.

Leben Sie wohl, lieber, bester Schelling! gedenken Sie unsrer als Ihrer treusten Freunde auf Leben und Tod, und wenn Sie nicht zu beschäftigt sind, so geben Sie uns bald ein Zeichen Ihres Andenkens, des unsrigen können Sie täglich ja stündlich versichert seyn.

Pauline.