Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Beste Pauline, heute nehme ich die Feder nicht so wohl um Ihnen zu schreiben als zu sagen, warum ich nicht schreibe. Ein Werk woran ich viele Jahre innerlich entworfen und gearbeitet soll endlich äußerlich werden. Da muß die letzte Hand angelegt werden; und Arbeit und Mühe sind nicht gering. Wir möchten ein lang gehegtes Ganzes gern immer noch zurückhalten, wir meynen immer noch bessern zu können und trennen uns nur mit Schmerz davon und doch ist der erste Wurf gewöhnlich der beste. Schmerzlich muß ich in diesen Augenblicken auch ganz besonders meinen Verlust fühlen. Wie sicher konnte ich mich sonst Ihrem reinen und zarten Urtheil anvertrauen; ja auch das verschmähte ihre Liebe nicht, das letzte daran zu vollbringen und mit der zierlichen Hand die Abschrift in’s Reine zu bringen.

Ich lebe jetzt so einsam, daß ich außer einem täglichen Spaziergang nicht aus dem Hause komme, und niemanden sehe, als einen jungen Freund, der eifriger Zoologe und Naturforscher, und mein Haus- und Tischgenosse ist.

Vergessen Sie den halb eingesponnenen Freund nicht, und finden Sie nichts Bessers zu thun, so schenken Sie ihm bisweilen eine Zeile.

Es wäre schön, wenn Sie mir ein Wörtchen über die Farbenlehre schrieben. Unser verehrter Herr kann es doch nicht lassen und will auch durch das wissenschaftliche Werk ein weibliches Herz rühren. Was sagen Sie aber zu der kleinen Malice, die er gegen die blaue Farbe ausübt? Ich zweifle nicht, daß sie ihm oft reizend gewesen; aber gewiß hat er sie dann am wenigsten für ein Nichts angesehen. Übrigens glaubt man in dem Buch oft mit ihm zu Tische zu seyn und ihn peroriren zu hören; ich gestehe aber, daß diese Tischreden oft grade das Ergözlichste für mich gewesen sind.

Grüßen Sie die liebe Mutter bestens von mir und die Schwestern. Auch Jacobs, der seine Verbindungen mit München recht lebhaft zu unterhalten scheint.
Herzlichen Dank für Ihren lieben schönen Brief. Gedenken Sie meiner bisweilen und leben Sie den vollends recht wohl durch.

Schelling