Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

MedicinalRath Dr. Schelling

in

Stuttgart.

fr˖[ey] Gr[än]ze.

Ich glaube Dich, liebster Carl, benachrichtigen zu müssen, daß wir alle wohlbehalten hier angelangt sind. Die Reise war, so seltsam dieß lauten mag, ohne alle Beschwerden und für uns alle eine wahre Erholung. Ich habe wieder bestätigt gefunden, daß es im Winter, im gut geschloßenen Wagen, da man von Hitze und Staub nichts zu leiden hat und gegen die Kälte sich verwehren kann, am angenehmsten sich reist. An die verschiednen Orte, wo wir übernachteten, war zum voraus geschrieben, so daß wir überall geräumte Zimmer, Betten und alles zu unsrem Empfang bereit antrafen. Paul besonders, wie auch die Ärzte vorausgesagt hatten, hat auf der Reise sichtbar sich erholt, meine Frau und die Kinder befanden sich trefflich, besonders war Fritz von ausgelaßner Lustigkeit und floß von lustigen Einfällen über. Mein Rheumatism hat sich durch die Reise auch eher gebessert als verschlimmert; der Unterschied des Klima war besonders wie wir erst aus den Eichstädt’schen Bergschluchten heraus waren, sehr fühlbar. So eben ist meine Frau mit den Kindern nach Erlangen vorausgefahren, um die ersten nöthigsten Einrichtungen zu treffen; ich bin hier geblieben, um diesen ersten Unannehmlichkeiten, die ich doch nicht erleichtern könnte, aus dem Wege zu bleiben, werde aber wahrscheinlich schon morgen nach E˖[rlangen] abgehen, wo die Nachricht von meinem Hinkommen einen allgemeinen Jubel, wie mir versichert wird, erregt hat, und wo ich mit Ungeduld erwartet werde. Ich kann Dir nicht sagen, wie wohl mir in diesem menschlichen Lande ist; noch in den letzten Tagen las ich eine Äußerung von Herder »Es ist nicht genug mit Menschen zu seyn, man muß mit Menschen leben, mit denen man Eine Basis hat« – daran fehlte es mir.

Leb’ recht wohl, grüße Deine liebe Frau bestens, und küsse unser Clärchen statt unser.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

Fr.