Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

MedicinalRath Dr. Schelling

in

Stuttgart.

frey.

Liebster Bruder!

Wir haben Deinen Brief vom erhalten und danken Dir auf’s Beste für die uns mitgetheilten guten Nachrichten. Wie ich Clärchen kenne, so wird sie es nun überwunden haben, und sobald nicht wieder ernstlicher krank werden. – Die hiesigen Kinder haben, mit Ausnahme Pauls, nur leichte Anwandlungen von Keuchhusten, Paul hat bedeutendere Anfälle, doch hat das Übel auch bey ihm keinen sehr hohen Grad erreicht.

In diesen Tagen wird Herr von Seutter zu Dir kommen, der als Vice-Präsident der Regierung von hier nach Speyer geht, ein höchst ehrenwerther Mann, den ich theils darum, theils auch weil er Clärchens Pathe ist, Dir zur freundlichen Aufnahme empfehle. Er wird Dir auch viel von mir sagen; aus der Art seiner Äußerungen kannst Du abnehmen, wie mein Entschluß, in Ansehung dessen ich übrigens nach den Aussprüchen von Dr. Grossi keine Wahl mehr hatte, allgemein von verständigen Männern hier angesehen wird. Ich konnte allerdings, bey diesem Stande der Dinge, auch etwa einen unbedingten Urlaub auf mehrere Jahre mir erbitten, und würde ihn wohl erhalten haben. Ich konnte dann auf so lange nach Wirtemberg oder in irgend ein andres mir besser zusagendes oder noch milderes Clima ziehen. Allein der Ungewißheit eines solchen, übrigens Amt- und Bestimmungslosen Aufenthalts wollte ich die Sicherheit und Gewißheit eines zugleich mit amtlicher Thätigkeit verbundnen vorziehen. Übrigens ist noch nichts von Seiten des Ministeriums entschieden; ich zweifle jedoch nach den vorliegenden Umständen nicht, daß die Entscheidung meinen Wünschen gemäß ausfallen werde: wahrscheinlich mit Beybehaltung meiner hiesigen Verhältnisse und der Erlaubniß, meinen Wohnort in Erlangen zu nehmen. Um eine Stelle an der Universität habe ich nicht nachgesucht, sondern nur mich erboten, mich dort durch Vorlesungen nützlich zu machen. Soviel, damit Du Bescheid geben kannst, wenn etwa das Gerücht davon der Entscheidung zuvoreilen und theilnehmende Freunde Dich darum befragen sollten.

Sey’ auch übrigens wegen der Unruhen etc. dieses Umzugs für uns außer Sorgen, so wie wir es einzurichten denken, wird es nicht viel mehr seyn, als der Umzug aus einem Haus in das andre.

Lebe recht wohl, grüße Deine liebe Frau aufs beste von uns; möge nun Ihr und Dir Clärchen reichen Ersatz gewähren für die Beschwerden des Anfangs!
Dein
tr˖[euer] B˖[ruder]

Fr.

Grüße Herrn von Seutter auf Angelegenste von uns!