Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Seiner Hochwolgebohrn

Herrn Director v. Schelling,

zu

München

Liebster Bester Friz!

Wir sind schon seit etlichen wochen sehr in Sorgen, daß keine Nachricht von unsern lieben Münchnern uns zu theil wird, wir befürchten nur, es könnte zu bedeüten haben, daß eines von unsern lieben möchte Krank geworden sein, ich hofe mein Brief, und der spättere von der Hofmedicussin werde Dir doch richtig zugestelt worden sein, gottlob bei uns geht es wieder gut Carl befindt sich wohl, Er hat daß baden angefangen aber freilich hat Er keine ruhe dabei morgens früh um 6 Uhr badet Er, und um 8 Uhr, ist er dann auf der Strasse um Seine Patientin zu besuchen, Er kann aber wieder recht gut fortkomen Er springt die Stegen weit schneller als vorher, die beata ist auch wieder ganz wohl, und Ihren 2 buben hat man die Kuhpoken eingeImpft, und haben es beede glüklich überstanden, groß ist indessen auch sehr übel aufgewessen, an einem Flußfieber, seit etlichen Tagen ist Er aber vom fieber befreit, Er macht mir oft bang ist gar ein geschwächter Mann schon für Sein Alter, Karl sagt es auch, hingegen oncle Prälat ist noch so munter auf den beinen, Er ist gegenwärtig hier, in der Landesversammlung, da haben Sie die Herrn 8 Tag vacanz gehabt, da gieng Er Nachmittag nach 3 Uhr hier weg, und kame Abends vor 9 Uhr glüklich zu Fuß in Denkendorf an, Er läßt Sich Dir, und meiner lieben Frau Tochter herzlichst empfehlen, über den guten Paul erfreut Er Sich allemal wenn ich Ihm etwas erzehle, ist daß gute Kind doch wohl und vergnügt, wir reden so oft wir zusammen komen von Ihm, und wünschen Ihn nur auch bei uns zu Sehen, Er wird Sich nicht mehr unser erinnern, der kleine Schelling in Ludwigsburg ist auch indessen recht gediehen, man sieht es Ihm nicht mehr an daß Er 6 wochen zu früh auf die Welt kam, August hat viel zu schaffen, Er gibt alle Tage, 3 Stunden unterricht den Frauenzimmer, die Herr Bachmäier zuvor unterrichtete, in der Religion in der Historie, und im Französischen, doch beklagt Er sich Seine Brust werde zu viel angegriffen durch 3stündiges reden, man hat Ihn aber recht gern zu ludwigsburg Seine Predigten finden grossen beifall welches mich sehr freüet, lezthin bin ich sehr erschrekt, und betrübt worden über die Nachricht von Major Bauer ich freüete mich sehr, wie es wiederrufen worden, denn solche brafe officier sind sehr zu schäzen, ist gar nichts geschehen, dem guten Bauer, so gönne ich es Ihm recht wohl und wünsche nur daß Er auch bei Paris möge glüklich durchkomen, ist eben ein fürchterlicher Krieg. Gott wolle uns den Kronprinzen bewahren, Er hat auch schon Gefahr gehabt, es scheint doch daß Württemberg und Bäiern Verschont bleiben, auch dismal, in unserem Land wäre es gar Zu Traurig, da die leüte so viel durch den Frost und durch die viele einquartirungen gelitten haben so wolle Sich doch Gott über uns erbarmen und uns keine Feinde in daß Land schiken, wie wohl wird es einem sein, wenn der Napoleon der so viel Unglück über die Menschen herbei geführt hat aus dem weg geräümt wird, ist besonder, daß niemand seine Hand an den bösen Menschen legen will, Seine Zeit wird aber Jetzt Komen, nun liebster Friz Seie doch so gut und gib uns nur mit etlich linien Nachricht daß ich doch beruhiget werde

wir grüssen Euch Lieben Taussendmal Gott Segne Euch küsse mir meinen lieben Paul recht oft
deine Treüe Mutter

Schellingin

wenn Du wieder glüklich in München angekommen, so bitten wir uns, unsern lieben werthen Freündin auf daß beste zu empfehlen, besonders Frau von Köhler, und des Herrn Hofrath Breiers, lebe recht wohl, und vergiß uns nicht so ganz