Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König,
Aller Gnädigster König und Herr!
Der ist das Geburts- und Namensfest Eurer Königlichen Majestät. Tausende der Bestgesinnten nicht bloß in Bayern, sondern in Deutschland feyern diesen Tag und rufen an demselben alle Segnungen des Himmels auf die großen und ruhmwürdigen Unternehmungen Ew. Majestät herab. Und wer in der That, der die Hand der Vorsehung erkannt hat, welche Eure Königliche Majestät in dem Augenblick allgemeiner Mißverständnisse und Verwirrungen auf den Thron berief, kann zweifeln, daß ebendiese alle Schritte Eurer Königlichen Majestät auch ferner beglücken und Eurer Majestät zu der Kraft und dem hohen Willen auch die Mittel in die Hand geben werde, Ihre heilbringenden Absichten zu erreichen. Auch ich kann den Tag, der Eure Königliche Majestät der Welt und Ihrem Volke gab, nicht ohne Rührung und Dank gegen den Allmächtigen begehen, der auch mir in Eurer Majestät einen Herrn und König schenkte, dem ich von ganzem Herzen dienen, in dessen Wollen auch meine geringe Thätigkeit hoffen kann, einen festen Halt, eine bestimmte Richtung zu finden. Auch ich werde an diesem Tage mich auf’s Neue mit Herz und Seele dem Dienst Eurer Königlichen Majestät weihen, das Einzige vom Himmel erflehend, daß mir vergönnt werde, Eurer Majestät recht zu dienen, gleichviel in welcher Stellung, denn wie bey verkehrter Richtung im Ganzen für den Rechtdenkenden auch ein großer Wirkungskreis wenig wahrhaft Erfreuliches haben kann, muß ebendieser da, wo er eine vom Regenten ausgehende allgemeine Bewegung zum Rechten und Guten wahrnimmt, sich in jeder Stellung glücklich fühlen, die ihm, wenn auch im kleinsten Theil, zu dieser Bewegung mitzuwirken und sie zu fördern erlaubt.
Wenn ich bey den höchstehrenden, mein Verdienst weit übertreffenden Aufforderungen, deren Eure Königliche Majestät bey Allerhöchst Ihrer Anwesenheit in Nürnberg mich würdigten, unentschlossen, ja zaghaft erschien, so war es, Allergnädigster König und Herr! gewiß nicht Mangel an Geneigtheit und Willen, sondern der nur unwillkührliche, aus einer Menge nicht wohl auseinanderzusetzender Umstände erwachsene Zweifel an meiner individuellen Tüchtigkeit, an jener Stelle ganz das zu seyn, was ich seyn sollte, und die aufrichtige Meynung, in einer andern, meiner Natur im Ganzen gemäßeren Lage nützlicher wirken zu können. Inzwischen hat sich mir bey dem näheren Überdenken meiner Verhältnisse als nächstes Ergebniß die Überzeugung aufgedrungen, daß es ohne den offenbarsten Nachtheil nicht bloß für mich sondern für meinen Beruf selbst unmöglich seyn würde, jetzt gleich dem Rufe nach München zu folgen, und Eure Königliche Majestät vergönnen mir Gnädigst, von jener huldvollen, mit dem tiefsten Dank erkannten Erlaubniß, Allerhöchst Ihnen Selbst zu schreiben, den ersten ehrfurchtsvollen Gebrauch zu machen, um die Gründe jener Unmöglichkeit anzuführen, die ich mit dieser Geradheit und Aufrichtigkeit in der That auch nur Eurer Königlichen Majestät Selbst darlegen kann, und die ich um so unbesorgter entwickle, als sie nur auf den Nebenumstand des Wann? sich beziehen, der hier von um so geringerer Wichtigkeit ist, als bey neuentstehenden Anstalten dieser Art, die ihrer Natur nach zu einer großen Menge, meist bloße Äußerlichkeiten und Förmlichkeiten betreffender, Erörterungen Anlaß geben, das erste Jahr ohnehin gewissermaßen als verloren betrachtet werden muß, und diese Zeit von mir, der vielleicht überhaupt nicht mehr viele zu verlieren hat, für den Hauptzweck, als den ich immer die Wirkung durch Vortrag und Lehre betrachte, nützlicher angewendet werden kann.
Sollte ich nämlich jetzt gleich nach München mich verpflanzen, so würde dadurch mein oft unterbrochner Lebens- und wissenschaftlicher Plan neuerdings zerrissen, und ich sähe mich von einem Ziel, das ich eben zu erreichen im Begriff stand, und an dessen Erreichung meine Ruhe und mein Lebensglück hängt, neuerdings auf unbestimmte Zeit zurückgeworfen. Nicht nur der Druck eines Werks, an dessen Inhalt ich den besten Theil meines Lebens gesetzt, sondern – unter den unvermeidlichen Zerstreuungen einer ersten Einrichtung, und den Geschäften einer sich erst allmälig organisirenden Lehranstalt und der nothwendigen Vorbereitung auf den öffentlichen Vortrag, den ich als Hauptsache betrachten und der meine ganze übrige Zeit in Anspruch nehmen würde – müßte die Vollendung der Arbeit selbst unausbleiblich aufgeschoben werden, deren Zustandebringung gewissermaßen mich erst mir selbst zurückgeben, und mich auch äußerlich wieder frey machen kann, um mit unbefangener Seele und freudigem Muth das schwere Amt eines öffentlichen Lehrers zu übernehmen. Aber mit vollkommener Beruhigung auch Eurer Königlichen Majestät gegenüber, könnte ich einem so wichtigen Beruf erst mich widmen, wenn dieses öffentliche Zeugniß über die Beschaffenheit und den Werth meiner wissenschaftlichen Überzeugungen und Erwerbungen keinen Zweifel läßt. Seit einer Reihe von Jahren habe ich nichts Entscheidendes geschrieben. Einige der Besseren (wie viele sind aber deren überhaupt?) denken vielleicht wohl, ich habe geschwiegen, um das ganz Entscheidende zu geben. Die Menge aber zweifelt an mir und meynt wohl gar, ich sey selbst irre geworden an meinen Überzeugungen. Im gegenwärtigen Augenblick – warum sollte ich es nicht sagen? – ist mein Name für die Meisten ein leerer Begriff, oder ein bloßer Schall von unbestimmtem Inhalt; ja es wird Personen genug geben, die versichern, nicht zu begreifen, was Eure Königliche Majestät Gutes an mir finden, oder von mir erwarten. Das soll aber nicht seyn. Eifersüchtig für den Ruhm Eurer Königlichen Majestät, als ein Unterthan, der im fernsten Widerschein und Abglanz desselben sich selbst erhoben fühlt, wünsche ich, daß es nicht zweifelhaft sey, was Eure Königliche Majestät bewogen hat, mich hervorzuziehen und an der ersten Lehranstalt des Reichs auf eine ausgezeichnete Weise anzustellen. Auch erlauben Eure Königliche Majestät mir gewiß den kleinen Stolz, für mich selbst zu wünschen, daß Allerhöchst Ihre Wahl nicht als das Ergebniß einer günstigen, aber meinerseits nicht hinlänglich gerechtfertigten Meynung, sondern einer auf wirkliche Leistungen gegründeten Überzeugung erscheine. Wenn nun jenes Werk da ist, das nicht umhin kann, sehr verschiedne Meynungen über sich zu erregen, dann mögen Eure Königliche Majestät Männer, in deren Urtheil und Gesinnung Allerhöchst Sie ein gerechtes unbedingtes Vertrauen setzen, z.B. unsern nicht genug zu erkennenden und zu verehrenden Sailer, von dessen Urtheil auch in wissenschaftlicher Hinsicht ich auf kein andres mich berufe, über den Inhalt jenes Werks und besonders darüber befragen, ob es wünschenswerth, den Absichten Eurer Königlichen Majestät förderlich, der Zeit angemessen seyn könne, wenn eine solche Lehre mit dem Feuer eines überzeugten Geistes öffentlich, und zwar in der Hauptstadt und an der ersten Lehranstalt des Reichs vorgetragen werde. Eure Königliche Majestät, die nicht aufgehört haben, selbst in dieser Zeit der Prüfung, durch die ich hindurchgegangen bin (und allerdings ist jeder Zustand ernster, wissenschaftlicher Prüfung stets zugleich ein Zustand des sittlichen Geprüftwerdens) Gutes von mir zu denken und zu erwarten, werden gewiß jene Empfindungsweise nicht mißbilligen können und im eignen Geist und Gemüth die tiefe Beruhigung ermessen, die sich über mein ganzes Wesen ergießen müßte, wenn ich auf eine solche Weise des vollen, begründeten Vertrauens meines Königs und Landesvaters gewiß werden könnte, ehe ich einen, in so vielen Hinsichten bedenklichen Beruf anträte – eine Beruhigung, die zugleich allein mich hinwegheben könnte über die Unannehmlichkeiten, denen ich von Menschen und Sachen entgegenzusehen hätte, so wie über jene Ungemächlichkeiten des äußern Lebens, die mit dem Aufenthalt in einer großen Stadt, aber besonders in München, für einen Mann in meinen Verhältnissen, bey schwankender Gesundheit und zunehmenden Jahren doppelt, verknüpft sind.
Noch habe ich eine andre Schuld gegen Bayern, die ich vorher abzutragen wünschen muß. Seit so vielen Jahren Zuschauer der unaufhörlichen Veränderungen der Schulplane und Schuleinrichtungen bin ich theils dadurch theils durch meine Verhältnisse zu den Haupturhebern derselben zufälligerweise mehr als viele andre im Stand, die falschen Grundsätze, die so viel geschadet, in ihrem wahren Lichte darzustellen, und dagegen die einfachen, erfahrungsmäßigen Mittel, durch welche die untersten Schulen (in meinen Augen, die wichtigsten) zu Pflanzstätten gründlicher Bildung und Wissenschaft werden, zu bezeichnen. Sollte ich nun jetzt nach München kommen, so wäre unvermeidlich, mit jenen Personen neuerdings in Berührung zu kommen, und meine Darstellung würde dann einen gehässigen Anschein erhalten, während hier nichts meiner Freymüthigkeit Hindernisse in den Weg legt, und wenn ich denn doch nach München kommen sollte, das was ich gethan als einmal gescheh’ne Sache nicht weiter in Betracht kommen würde.
So ist es denn mein einziger Wunsch, versichert zu werden, daß Eure Königliche Majestät aus den von mir angeführten Gründen mein Verlangen, vorläufig und bis zum noch in den gegenwärtigen Verhältnissen zu bleiben Gnädigst genehmigen. Bis dahin wird sich in mir und außer mir so vieles gestalten, das mich einer freyeren und überzeugteren Entschließung als in diesem Augenblick fähig macht, und die Sache selbst (dieß glaube ich bestimmt versichern zu dürfen) wird bey diesem Aufschub nur gewinnen, während Eure Königliche Majestät noch immer in Ihrer Weisheit noch immer erwägen können, ob bey so manchen Bedenklichkeiten, z.B. dem ungewissen Zustand meiner Gesundheit und den doppelten Schwierigkeiten, die für mich dadurch in Ansehung des Aufenthalts in München entstehen, AllerHöchstdieselben nicht doch vorziehen könnten, mir einen andern Wirkungskreis anzuweisen. Nehmen doch Eurer Königlichen Majestät protestantische Unterthanen mit gleichem Vertrauen, wie mit gleichem Recht Ihre Hülfe in Anspruch, aus der Versunkenheit erhoben zu werden, in welche sie durch die Nachwirkung früherer Zeiten, durch lange Versäumniß und eine Menge nachtheiliger Umstände versetzt sind. Bey der Kenntniß, die ich in von den in manchem Betracht verwickelten und unklaren Local- und Personal-Verhältnissen zu erlangen Gelegenheit hatte, dürfte ich eine Bestimmung, die Eure Königliche Majestät für die hiesige Hochschule mir zu geben geruhen würden, als ein Mittel ansehen, in dieser Sphäre Allerhöchst Ihres hohen Regentenberufs ein brauchbares und nützliches Werkzeug werden zu können.
Und so habe ich dann Eurer Königlichen Majestät mit der Aufrichtigkeit und Freymüthigkeit geschrieben, die ich gegen meinen Herrn und König für heilige Pflicht achte.
Gott erhalte den König, den er uns zur rechten Zeit gegeben, und fördre alle seine Werke und Thaten!
Erlauben Eure Königliche Majestät mir ferner, unter den Mühen eines ernsten Berufs, der auch ohne äußres Amt auf mir liegt, AllerHöchster Gnade und Huld mich getrösten zu dürfen, und der Hoffnung zu leben, würdig erfunden zu werden, einst jene unverbrüchliche Anhänglichkeit und allertiefste Ehrfurcht wirkend zu bethätigen, mit welcher ich ersterbe
Eurer Königlichen Majestät
allerunterthänigst-treu-gehorsamster
Schelling