Herrn
D. J.G. Cotta
Wohlgebohrn
frey.
München .
Jacobi hat endlich seinem längst insgeheim gehegten Groll und Verfolgungswuth gegen mich öffentlich Luft gemacht, in seinem eben erschienenen: Von göttlichen Dingen etc. und zwar auf eine so ungemeßne Art, daß ohnerachtet ich längst einen solchen öffentlichen Ausbruch wünschte, meine Vorhersehungsgabe ihn nie dieser Unwürdigkeit fähig geachtet hätte. Wenn Sie schäzbarster Freund, nur S. 111 – bis zu Ende der gedachten Schrift, namentlich S. 118. 125. besonders 157, lesen wollen, so werden Sie sich überzeugen, daß sie Beschuldigungen enthält, zu denen ich nicht schweigen kann, schweigen darf, ohne auf alle Zeit jeden guten Namen in der philos˖[ophischen] Literatur zu verlieren. Für jeden, der mit dieser einigermaßen bekannt ist, mußte es längst klar seyn, daß der Streit zwischen Jacobischer und meiner Vorstellung oder Lehre nicht unentschieden bleiben konnte. Mir ziemte nicht den Anfang zu machen; Jacobi hat ihn durch seinen Angriff gemacht. Schweigen wäre Feigheit, wäre Eingeständniß. Ich behalte mir also eine ausführliche Auseinandersetzung unsres Verhältnisses vor, die nothwendig ist in jeder Hinsicht, unendich vorteilhaft, längst erwünscht für meine Sache, indem ich mit dieser einen zugleich alles begreife, was seit Jahren in öffentlichen Blättern Büchern und auf Kathedern gegen mich vorgenommen worden und wogegen aufzutreten Würde und Anstand nach meinem Gefühl nicht erlaubten. Diese ausführliche, radikale und totale, Auseinandersetzung zwischen J˖[acobi] und mir kann ich in dem Augenblick nicht vornehmen, da ich noch mit der Ausführung meines großen Werks: die Weltalter, beschäftiget bin. Sobald dieses geendet, kommt jene an die Reihe. Einstweilen werde ich (viele Gründe bewegen mich dazu, welche hier anzuführen der Raum nicht verstattet) eine
»Vorläufige Erklärung an das wissenschaftliche Publikum über den Angriff des Herrn Präsid˖[enten] Jacobi«,
höchstens einen Bogen stark in einem besonderen Abdruck erscheinen lassen. Ich wünsche, daß Sie diese Erklärung verlegen. Jedoch kann ich es nicht wünschen, wenn es nicht von Ihrer Seite mit wirklicher Neigung geschieht, indem ich der Natur der Sache nach dieser Erklärung die größtmögliche Verbreitung wünsche. Sie erinnern sich vielleicht noch, daß ich Ihnen , als Jacobi zuerst mit ebendiesen giftigen Verläumdungen herausrückte, welche zu dem nachherigen allgemeinen Geschrey von dem Atheismus, Pantheismus, Materialismus meiner Lehre den ersten Ton angaben, eine gegen dieselbe zu schreibende Abhandlung zum Verlag anbot, die Sie zurückwiesen. Auf der Reise, entfernt von andern literarischen Mittelpunkten wurde ich dadurch säumig, die Schrift wurde nur zur Hälfte fertig, darüber kam ich nach Würzburg und alles blieb liegen. Diese Versäumniß hat mir unsäglichen Schaden bey vielen wackern Leuten gethan. Um so mehr muß ich suchen, das damals Versäumte jetzt einzubringen. Würden Sie also diese Schrift oder vielmehr diese Ankündigung einer Schrift nicht vollkommen willig übernehmen und demgemäß auch die möglichste Verbreitung derselben bewirken wollen, bitte ich Sie, es mir geradezu zu sagen; doch wünsche ich, daß es mit umgehender Post geschehe. Bedingungen gibt es hier keine, als die obengenannte, und etwa den Wunsch, daß dieselbe vorläufige Erklärung, da von Jacobi’s Schrift im Morgenblatt unstreitig die Rede seyn wird, so dann ebenfalls dort abgedruckt werden. Die Kosten des Drucks und Papiers tragen Sie, jedoch nur in dem Fall, wenn der Absatz soviel austrägt, wie ich doch glaube.
Leben Sie recht wohl und lassen Sie mich bald Ihre Meynung wissen
Schelling