M˖[ariä] Einsiedel den .
Nur um Sie, liebste Mutter, in den ersten Wochen keinen Posttag ohne Nachricht zu lassen, schreibe ich Ihnen heute diese Zeilen, welche nichts seyn sollen als ein trocknes Tage Buch unsrer seitherigen Begegnisse. Ich hoffe, Pauline wird endlich dazu gelangen, Ihnen ausführlicher alles zu beschreiben, was Sie interessiren kann.
kamen wir sehr in die Klemme, da Frau von Martini höchst unerwartet uns beyde bey’m Frühstück im ersten Negligé überraschte; kaum war sie fort so rollte die Carosse des Herrn von Wiebeking vor und brachte die beyden Frauenzimmer her, Miß Fanny und Frau von Köhler. Jene wußte sich vor Freude Pauline hier zu wissen und zu sehen, kaum zu lassen, und war in einer wirklichen Exaltation der Wonne des Wiedersehens. Der holden, guten Köhler, die unser kleines Hauswesen 14 Tage ehe wir kamen auf die angenehmste Art eigerichtet hatte, sah man die Freude ohne viele Worte an den Augen an. Mit beyden hat sich P˖[auline] wieder auf Du und Du gesetzt.
überraschten uns Schlichtegrolls, die Nachmittags, da wir beyde in besserer Verfassung waren, ebenfalls angefahren kamen. P˖[auline] wunderte sich sehr über die zwischen Herrn Schlichtegroll und mir obwaltende Zärtlichkeit, wo sie nur Groll vermuthet hatte. Es kommt ihr dazu rein wunderbar vor, daß er kürzlich auf der gerade entgegengesetzten Seite unsrer Wohnung sich eingemiethet hat; und zwey General-Sekretäre auf den beyden entgegengesetzten Flügeln des Karlsthors, beyde im 2ten Stock, beyde gleich viel Zimmer und Fenster und was die Hauptsache ist beyde eine Frau aus Gotha. Kann es eine größere Harmonie geben? – Ich glaube Frau von Schlichtegroll hat eine sehr aufrichtige Freude über Paulinens Hierseyn; sie zeigt, daß sie ihr gut ist und für diese gemeine Art von Falschheit, die sich hinter übertriebner Freundlichkeit verbirgt, ist sie nicht bekannt.
Diese Überraschungen waren die Folge des langen Aufschiebs unsrer Besuche, wozu nächst dem was Rücksicht auf unsrer beyder Erholung gebot das schlechte Wetter die Ursache gab. Endlich haben wir einen schönen Tag getroffen und alle Besuche glücklich an Einem Tag abgethan. Vorm˖[ittags] bey Langers, Schlichtegrolls, Hänleins , Flads (waren nicht zu Hause; die alte Canzler hatte Schlichtegroll geklagt, daß ich nicht einmal ihren Bruder in Gotha besucht habe) Hänleins (ebenfalls nicht zuhause) Baader (die Frau nicht zu Hause) Gärtner (auch die Frau nicht zu Hause) Fräulein van der Null, Hofprediger Schmid, unser Seelsorger –– Nachmittags Stengels; gegen Abend Wiebekings, wo wir wohl wieder 2 1/2 Stunden bleiben mußten, weil unser Wagen nicht kam. Alles in demselben Tone wie er schon von Miß Fanny angegeben war: Große Zärtlichkeit, Liebe und viele Artigkeiten. Frau von Schlichtegroll schien da zu seyn, die Conversation zu erleichtern. Pauline ganz charmiert von der Köhler, die wirklich die aufrichtige Güte selber und durch ihren stillen Schmerz jetzt doppelt interessant ist. Wie nun die übrigen Personen alle, wie der Münchner Ton, Einrichtung etc. Pauline zugesagt, muß sie Ihnen selber schreiben. – Daß sie von unsrer Wohnung in der Stadt, besonders der herrlichen Aussicht sehr erbaut war, kann ich versichern. Wie wir uns nur gegen die andringenden Gegenbesuche in den nächsten Tagen schützen wollen weiß ich noch nicht, da die Kirchweih vorbey ist und die Witterung eine General-Einladung so wenig begünstigt. Zu Ihrer vollen Beruhigung melde ich noch ausdrücklich daß Pauline ganz wohl ist, daß das Bairische Bier, Bairische Luft und Bäder sie wohl bald in völlige Aufnahme bringen werden, so sehr auch hier meist die Witterung uns entgegen ist.
Nun muß ich schließen. Die herzlichsten Grüße von Paulinen und mir verstehen sich. Ganz besonders bittet sie einstweilen in ihrem Namen der guten Tante Meyer zu danken, und ihr von uns beyden die zärtlichsten Empfehlungen zu machen. Nächst den übrigen Tantchen bitte ich von P˖[aulinen] und mir auch die Landsmännin einmal zu grüßen. Herrn von Hoff, den guten Onkel, der uns die Wohnung gegeben, und alle Verwandte, auch ohne ausdrückliche Erwähnung, ja nie vergessen. Besonders liegt mir an, daß Sie, liebste Mutter, dem Herrn General-Superintendent meine ausdrückliche Empfehlung ausrichten und ihm sagen, wie tiefgewurzelt bey mir das Andenken seiner mir bewiesenen Güte und Freundschaft ist, und wie ich wünsche auch bey ihm in einigem geneigten Andenken zu bleiben.
Gott befohlen, liebe Caecilie, liebes Julchen! Wir küssen Ihnen die Hände, beste Mutter und bitten, daß Sie uns ja immer in Ihr Herz schließen, wie wir sie.
Ihr
treuergebenster Sohn
Fr.