Wohlgebohrner,
Insonders Hochzuverehrender Herr!
Angenehmer unter allen literarischen Begegnissen konnte für mich wohl keines seyn, als mit einem Briefe von Ihnen beehrt zu werden. Es ist nicht um Ihnen zu schmeicheln, sondern die reine Wahrheit, daß ich von jeher mit einer ganz besonderen Verehrung gegen Sie erfüllt gewesen. Sie sind ein Philosoph der guten alten Zeit, der noch auf feste Begriffe hält, nicht mit schwärmerischen Gefühlen und Gefühls-Erregungen blenden oder im Fall des Widerspruchs niederschlagen und verdammen will. Nebst dem sind Sie der einzige oder doch fast der Einzige, der mit philosophischem Wissen und Vermögen jenen unschätzbaren Natursinn verbunden, ohne den meines Erachtens in der Weltweisheit nur monstra und portenta erzeugt werden. Ich denke von dem Philosophen, was Kästner vom Poeten; wer nur das eine oder das andre ist wird wenig ausrichten
. Aber gleichwie eine lange Zeit man glaubte, Poesie von nichts und aus nichts machen zu können, und das Talent Verse zu machen für das Surrogat aller möglichen Kenntnisse galt: ebenso hat man auch meist von und aus nichts philosophiren wollen und das Talent Begriffe oder gar nur Worte zu machen für besser geachtet, als alle Kenntnisse der Welt. Seit ich die von Ihnen so vielfach bereicherten und erweiterten Betrachtungen über die Kunsttriebe der Thiere in einer frühen Jugendzeit zu einem meiner Lieblingsbücher gemacht, habe ich immer eine besondre Liebe und unaustilgbare Hochachtung behalten. Mit Freude nehme ich daher alles von Ihnen auf, wenn es auch wider mich ist. Ob ich Jacobi’n zu Viel gethan, ob er mir schaden wollen oder nicht? Das sind Fragen, die für das Literarische des Streits gleichgültig sind, und die sich übrigens nur gehörig beurtheilen lassen, wenn man ihn in seinem Benehmen und Verhalten gegen mich näher kennen gelernt. Hier wenigstens hat, einige ihm besonders ergebene Menschen ausgenommen, mein Buch niemand zu hart gefunden.
Sie sagen: »Das absolute Wesen muß aus innrer eigner Nothwendigkeit existiren. Nothwendigkeit aber ist gewiß bestimmt, so und nicht anders zu sein. Es kann also in ihm kein – Entfalten pp vorgehen.
«
Ich läugne gewiß nicht, daß das Erste in Gott Nothwendigkeit und zwar unbedingte, innere ist. Aber diese ist eben nur der Anfang in ihm. Gott überwindet seine eigne Nothwendigkeit, (dieß meine Ansicht in nuce); ohne die Überwindung gäbe es keine Welt, keine Menschheit. Die Notwendigkeit ist Aseität; aber diese A-Seitas involvirt nothwendig eine ebenso absolute In-Seitas, vermöge der Gott sich selbst genug seyn würde, also nichts außer sich setzte. Mit dieser Überwindung ist kein Wechsel, kein Übergang von der einen zur andren gesetzt; denn der Gott, dessen Nothwendigkeit überwunden wird, bleibt in sich immer der nothwendige und das Prinzip, das ihn überwindet ist nicht Er selber als der Nothwendige, sondern ein anderes, das er zeugt. – Ebenso die Meynung, daß die Zeit bloße Erscheinung sey, kann gegen mich nichts thun, da ich beweisen zu können glaube, daß die Zeit, recht begriffen, etwas Objektives, Wirkliches ist. Hierüber hoffe ich Ihnen, würdiger Mann, ganz klar zu werden, wenn Sie meine zu erscheinenden Weltalter zu lesen würdigen wollen.
Die Teleologie ist allerdings ein von den neuesten Naturphilosophen noch zu sehr im Dunkel gelassener Gegenstand; und Ihre Bemerkungen darüber sind höchst gegründet. Aber auch in diesem Punkt wird und muß das rechte noch kommen. Denn eine wahre Ansicht von dem Wesen jener mit Verstand wirkenden architektonischen und plastischen Kraft in der Natur kann bei der großen Verschiedenheit der bisherigen Vorstellungen doch nicht vorhanden gewesen seyn. Es ist ein sehr guter Ausdruck im deutschen: hinter etwas kommen, d.h. ab ovo anfangend, genetisch zu etwas gelangen. Bis jetzt ist ja noch gar nicht entschieden, was und wieviel zweckartig ist, was nicht.
Nehmen Sie diese meine Äußerungen freundlich auf und verzeihen Sie, wenn ich über die mir zugeschickte Schrift, (ein höchst werthes Geschenk) Ihnen vor der Hand nichts schreibe als meinen Dank. Es liegt dieß in meiner Art zu studiren, wornach ich auch die merkwürdigsten Schriften nicht lese, als in dem Augenblick da ich selbst über die nämliche Materie arbeiten will. Nach der bloß flüchtigen Ansicht, die ich dessen ohngeachtet von Ihrem mir sehr wichtig scheinenden Aufsatz genommen, will ich also nicht urtheilen.
Es liegt freylich am Ende überhaupt nicht viel daran, wofür man gehalten wird, wenn man nur selber weiß was man ist. So könnte ich mich denn auch ruhig einen Atheisten schelten lassen, wenn ich schon mir wie der armselige La Borde damit groß thun möchte; nur müßte mir mein wahrer wirklicher (
Ich werde mit dem eine allgemeine wissenschaftlich-literarische Zeitschrift herausgeben. Es sollte mich sehr freuen, wenn Sie, hochverehrter Herr, einiges dazu beytragen wollten. Aufsätze, wie der eben erschienene, passen vollkommen zu dem Zwecke derselben; meine Absicht wird am besten erreicht werden, wenn diese Zeitschrift mit dem Göttinger Magazin von Forster und Lichtenberg verglichen wird.
Mit den Gesinnungen aufrichtiger Verehrung
Ew. Wohlgebohrn
ergebenster Diener
Schelling.
München .
Ihren Brief vom habe ich erst erhalten.