Erlangen .
Ja wohl, liebste Schwägerin, hätte mir nicht leicht eine betrübendere und unerwartetere Nachricht zukommen können, als die ich durch Ihren Brief vom erhielt. Wer hätte sich den schmerzlichsten Verlust so nahe, so plötzlich vorstellen können? Ich erfuhr ihn durch Fleischmann, nach einer kurzen Vorbereitung, die nichts von der Sache ahnden ließ, mit den drey Worten: die Mutter ist todt! Den Brief gab er mir später, nachdem ich Mittel gefunden hatte, Pauline auf etwas längere Zeit aus dem Garten zu entfernen. Glücklicher Weise gelang es, ihr meine Bewegung und den Vorfall selbst zu verbergen. Später kam Ihr Briefchen mit der Post, P˖[auline] wurde dadurch schon sehr beunruhigt, und schlief die ganze Nacht nicht, ich mußte also den ganzen Tag sie mit der Nachricht verschonen; sie beruhigte sich nun wieder und mehr als mir im Grunde lieb war, da ich Ihre gute Absicht, sie auf den harten Schlag vor zu bereiten, gewissermaßen vereitelt sah. Heute indeß, nachdem sie die Nacht sehr gut geschlafen, mußte ich endlich den harten Schritt, wenn auch mit aller möglichen Vorsicht wagen, sie mit dem großen Verlust bekannt zu machen. Ich muß es rühmen, daß sie die traurige Gewißheit, die geliebteste Mutter in diesen Leben nicht mehr zu sehn, mit bewunderungswürdiger Standhaftigkeit aufnahm, vieles hat, diese ruhige Stimmung zu erhalten, besonders Ihr Brief beygetragen, der mit so außerordentlicher Fassung geschrieben ist. Indeß bey ihrem schwächlichen Zustand konnte eine bedenkliche Erschütterung nicht fehlen, deren Folgen ich jetzt erst, doch mit guter Hoffnung, daß sie nicht zu heftig seyn werden entgegensehe. Sie ist eben noch in hohem Grade geschwächt. Das Übel stellte sich schon in der wieder ein, und zwar anfänglich wieder mit einer Heftigkeit, die uns besorgt machte; am zweyten Tag jedoch ließ diese nach, und sie hatte sich ebenso weit erhohlt, daß sie wieder einen großen Theil des Tags, doch meist nur sitzend, in freyer Luft im Garten zubringen konnte[.] Fleischmann hatte mich für alle Fälle, unter andern auch den einer möglichen Hämorrhagie, mit Mittel versehen; ich hoffe nun aber diesen Abend, es soll vor jetzt wenigstens ohne Folge vorübergehen. Ihr länger die Sache zu verbergen konnte zu nichts führen, und war insofern gefährlich, als durch die bekannte Verbindung die Sache schon gestern in ganz Erlangen bekannt und durch die von dort zurückkehrende Bötin unsre Leute davon unterrichtet waren. Ich werde den Brief noch bis offen halten um ihnen zu schreiben, wie P˖[auline] geschlafen, denn darauf kommt das Meiste an, und leider ist sie so schwach, daß die kleinste Gemüthsbewegung oder nur etwas ungewöhnliche körperliche Anstrengung sie des Schlafs beraubt. Die beyden älteren Kinder haben herzliche Thränen über den Tod der guten Großmutter geweint, besonders Lina; nicht weniger, gewiß, werden die Nürtinger Kinder ihn beweinen. Von meinen Empfindungen lassen Sie mich schweigen, zumal ich ungern auf längere Zeit mich von P˖[auline] entferne und für heute nur wünsche, Sie soviel möglich über P˖[auline] zu beruhigen. Meines Trostes bedürfen weder Sie, noch die liebe Schwester Cäcilie. Sie selbst wissen am besten, was in den religiösen Überzeugungen, was zum Theil selbst in den Umständen dieses im Ganzen glücklich zu nennenden Todes, Erhebendes und Tröstendes für uns liegt.
Pauline schlägt Ihnen vor, und ich vereinige meine inständige Bitte mit der ihrigen, daß Sie und die liebe Cäcilie sobald es Ihnen nur möglich dünkt, hieher zu uns kommen. Ich nehme gewiß nicht zuviel an, wenn ich vorausetze, daß dieser schöne Aufenthalt in der freyen Natur, dieses Zusammenleben mit Ihrer Schwester und deren Kindern, Ihnen und besonders der guten Cäcilie wahrer Balsam seyn werde; und ebenso wird sich meine gute Frau in Ihrer Gesellschaft weniger verwaist fühlen. Lassen Sie mich bald Ihre Entschließung über diesen Vorschlag wissen, der mir zu einfach scheint, als daß etwas Weiteres zu seiner Unterstützung nöthig wäre. Ich füge nur das Eine bey: es hat sich in dem Haus noch soviel Raum gefunden, daß Sie und Cäcilie nicht nur überhaupt, sondern leicht, bequem und angenehm bey uns wohnen können. Ach warum war es uns nicht vergönnt, etwas später den selben Vorschlag zugleich der guten Mutter zu machen, wie es unser Vorsatz war! Gewiß indeß können wir das Andenken der theuren Verewigten nicht besser und reiner, als in diesem friedlichen Zusammenseyn und der Stille eines ländlichen Aufenthalts feyern. Lassen sie mich bald Ihren Entschluß deßhalb wissen; wir bieten Ihnen an, einen Erlanger Wagen nach Gotha zu schicken, oder ich für meine Person, Ihnen mit einem solchen bis Coburg entgegenzukommen.
Pauline hat die Nacht erträglich und noch immer besser zugebracht, als ich eigentlich erwarten konnte. Ich hoffe nun, wenn es gelingt, sie in dieser ruhigen Stimmung zu erhalten, daß sie doch fortfahren soll sich zu erholen und wieder Kräfte zu gewinnen.
Leben Sie recht wohl, theuerste Julie, mögen Ihnen und der lieben Cäcilie Gott die ruhige Fassung erhalten, und beyde Schwestern auch darinn den Segen der verewigten Mutter spüren!
Ihr
tr˖[euer] Schw˖[ager]
Sch