An
Fräulein Julie Gotter
in
g[an]z frey.
Liebste, beste Julie!
Unser Abschied war so schnell und kaum konnte ich Worte finden, meinen Dank Ihnen auszudrücken. Inzwischen sind wir ohne eigentliche Nachricht von Ihnen. Der Kutscher hat zwar das Mitgegebene, aber weder Brief noch mündlichen Bericht gebracht. Seit dem Eintritt des Regenwetters sind wir froh, daß Sie noch so bald abgereist sind. Die Witterung war zwar um nichts besser, und machte uns nicht wenig besorgt um Sie, aber doch die Wege.
Das Angenehmste, das ich Ihnen melden kann, ist, daß es mit P˖[auline]’s Gesundheit bisher gut und sogar besser geht. Sie hat den Tag, den sie das letztemal im Bette zubringen mußte, dießmal ganz vergnüglich bey einem großen Diner im Wels Garten verlebt. Ich finde sie rüstiger und heitrer als seit langer Zeit. Ich kann diese Veränderung nur dem häufigeren Gebrauch der Bäder zuschreiben. Das Hauptübel hat sich zwar nicht vermindert, aber auch nicht zugenommen. Damit muß man schon zufrieden und nur froh seyn, daß ihr Befinden erträglich ist. Zeigt nur erst irgend ein Mittel erleichternde Kraft, so werden ja wohl die Ärzte auch endlich die Natur des Übels entdecken.
Die Kinder sind alle wohl, Paul hat einen großen Brief an Sie geschrieben, den ich der Mutter zu senden überlassen will. Besonders gedeiht das Kleinste, Ihr Liebling, und wir meynen, daß es in den wenigen Tagen schon wieder bedeutend zugenommen habe an Verstand. Immer mehr entwickelt sich die Aehnlichkeit mit Paul. Fodert man sie auf, zu reden, so spitzt sie ihr Mäulchen oder fängt auf Pauls Art zu sprudeln an.
Empfangen Sie nun nochmals, beste Julie, meinen innigsten Dank für alle Treue und Liebe, die Sie in so langer Zeit und unter so manchen beschwerlichen Umständen uns erzeigt. Mögen Sie sich nun bey der guten Mutter recht erholen und etwas ausruh’n von der Arbeit und ein heitrer Sie für manche trübselige Stunde entschädigen! Zugleich bitte ich Sie, der lieben Mutter auch von mir den herlichsten Dank zu sagen, die Sie uns so lange gegönnt hat, und gewiß recht schmerzlich entbehrte. Vielleicht entschließen Sie sich alle zusammen, auf den zu uns zu kommen, von dem ich mir jetzt für Paulinens Gesundheit das Beste verspreche.
Herzliche Grüße an Cäcilie und alle die Theuren Verwandte und Freunde! Mit Dank und Liebe
Ihr
treuergebenster
Schelling.