Sr. Wohlgebohren
dem Herrn von Schelling
Direktor der k˖[öniglichen] Akademie der bildenden Künste, Ritter des k˖[öniglich] bayrischen Civilverdienst-Ordens etc.
in
in Bayern
Karlsbad den Montag um 9 Uhr in der Früh.
Herr Direktor!
Ihr werthes Schreiben vom habe ich den in der Früh erhalten. Ich danke Ihnen recht herzlich, daß Sie sich meiner erinnert haben, noch mehr aber, daß Sie mir den Eifer, Ihrer theuren Frau Gemahlinn in allem behülflich zu seyn, zumuthen. Ich bitte nur, daß Sie sie bewegen möchten, von meinen Diensten recht oft Gebrauch zu machen; denn bis jetzt hat sie mir noch gar nichts zu verdienen gegeben. Ich würde mich schon zwar vorzuschieben wissen, wenn mich nicht der Gedanke, daß ich ihr durch meine Dienstfertigkeit am Ende lästig werden könnte, im Zaume hielte. Deßwegen will ich lieber aufgefodert seyn, besonders da es so schwer ist, ihr etwas abzulauern. Uiber ihre Gesundheitsumstände kann ich noch nichts Entscheidendes berichten, obwohl ich deßhalb mit meinem Schreiben absichtlich mehrere Tage innegehalten habe: aber dieß gereicht uns wenigstens zum großen Troste, daß es ihr wenigstens nicht schlechter geht; ja heute um ½8 Uhr beym Brunnen hat sie sogar und zwar mit einer sichtlichen Fröhlichkeit erklärt: »Heute ist mir ganz wohl!« welches uns an diesem Tage um so mehr erfreute, da es sich fand, daß dieß der Hochzeitstag sey. Im allgemeinen sieht sie heiter aus; gleichwohl kann man daraus auf die Abwesenheit des Leidens nicht sicher schließen; denn diese würdige Frau besitzt eine seltene Seelenstärke und übt eine große Gewalt über ihre unangenehmen Zustände aus. Dr. Mitterbacher hat noch nicht hinlängliche Data vor sich, um ein gründliches Urtheil zu fällen; ich sehe aber, daß er die Hoffnung nicht aufgibt. Dasselbe ist mit Dr. Peschmann der Fall. Gegenwärtig trinkt die Frau Direktorinn bereits 6 Becher Sprudel und verträgt sie ganz wohl; auch badet sie einigemahl dazwischen, welches ihr alles sehr gut bekömmt – kurz, wenn wir auch bis jetzt noch nicht die vollkommene Gewißheit haben, daß ihr Uibel durch Karlsbad ohnfehlbar gehoben werden wird, so ist dagegen kein Grund vorhanden, das Gegentheil anzunehmen, vielmehr ladet alles zur Hoffnung ein.
Ich freue mich wie ein Kind darüber, denn seitdem ich in Ihr Haus hineinwachse, nimmt mein Herz immer mehr an Allem, was darinn Erfreuliches und Trauriges begegnet, Antheil. Sie mögen freylich sonderbar finden, daß ein Fremdling sich in Ihren Hausheerd mit Gewalt einkeilt: aber er erfährt selbst innerlich diese Gewalt, die ihn hineintreibt.
Ich kann nicht mit Stillschweigen übergehen, daß unter den hier anwesenden Kindern, deren nicht wenige sind, überall dem »Mäuschen« die Palme zuerkannt wird; von allen Seiten fragt man mich nach demselben und nach Lina. Diese letztere hat hier unter andern mit der zweyjährigen Gräfin Batthyany einen Freundschaftsbund geschlossen, der bereits zu einer solchen Innigkeit gediegen ist, daß die Kleine sie nicht lange vermissen mag. Nichts ist komischer anzusehen, als wie die gutmüthige Lina den Mentor ihrer kleinen Freundinn spielt und auf sie wie auf ein Kind herabsieht, während dem sie selbst ganz die Manieren einer erwachsenen Person annimmt. – Sie trinkt 2½ Becher Theresien-Brunnens.
Da es mit Ihren Vorlesungen noch Zeit hat, so gedenke ich erst um den oder einige Tage später von hier aufzubrechen, wo ich hoffe, bestimmtere und noch erfreulichere Nachrichten über die Gesundheit Ihrer verehrten Frau nach Erlangen zu bringen.
Unterdessen empfehle ich mich Ihrem gütigen Andenken, und verbleibe mit aller Achtung und Freundschaft
Ihr ergebenster
J Goluchowski
Dem Senior Hufnagel, der Schubertschen und Pfaffschen Familie bitte ich meine Empfehlung auszurichten.