Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Karlsbad

Sr. Wohlgebohren

dem Herrn von Schelling

Direktor der k˖[öniglich] bayrischen Akademie der bildenden Künste in München, Ritter des CivilverdienstOrdens etc. etc.

in

Erlangen

in Bayern

Herr Direktor!

Schon seit dem schlürfe ich den Heilbrunnen, und schiebe mich auf der Wandelbahn, wie unter Epikur’s Atomen, und klettere auf den Bergen herum, und schaue und beobachte, und treibe alles, was die Kur mit sich bringt, mit solcher Sorgfalt, als wenn ich sonst an nichts zu denken hätte. Mein Daseyn ist von meinen übrigen Verhältnissen rein abgeschnitten; und ich trachte mich in dieser wohlthätigen Isolirung zu behaupten. Gleichwohl habe ich nicht vergessen, was ich in Erlangen zurückgelassen habe und was ich dort noch zu erwarten hatte: ja es ist dieß beynahe der einzige Faden, durch den ich mich über Karlsbad hinausreiche. Ich kann demnach nicht umhin, mich nach Ihrem und Ihrer würdigen Frau Gemahlinn Befinden sowohl, als auch nach dem Anfange Ihrer Vorlesungen zu erkundigen, da beydes auf die Quantität und Qualität meines hiesigen Aufenthaltes sehr einfließt. Auch ist nur diesem Umstande die Zudringlichkeit meiner Anfrage zuzuschreiben.

Das hartnäckige Ausbleiben der Frau Direktorinn macht mich immer mehr bestürzt. Es ist hier schon alles zum Empfang der Gäste bereit, und man sieht nicht die mindeste Spur von der vorjährigen Sündfluth. Uiber das Wetter kann man sich gleichfalls nicht beklagen; wir haben fortwährend sehr heitere Tage hier gehabt, ausgenommen daß die ersten acht Tage nach meiner Abreise von Erlangen die Natur mit einem Katarrh behaftet ward. Diese ihre Unpäßlichkeit hatte ein höchst widriges Tröpfeln zur Folge, welches meinen Vorsatz, die Reise zu Fuße zu machen, sehr durchnäßt und am Ende bald ganz erweicht hätte. Der Zuspruch ist bis jetzt unbedeutend und die Badeliste hat sich nicht viel über siebenzig erhoben. Dagegen kommt das künstliche Karlsbad in Dresden immer mehr in Aufnahme, und gegenwärtig sollen dort, wie ich so eben vernehme, bereits an 400 Kurgäste seyn, worunter wahrscheinlich viele meiner Landsleute; denn es sind ihrer nur wenige hier, und von denen, die den über in Dresden geblieben sind, um desto früher nach Karlsbad zu kommen, kein einziger. Unter den weiblichen Schönheiten gebührt bis jetzt die Palme einer Bayerin, der Baronesse Clement geb˖[orene] Bar˖[onesse] Nyevelt, aus Regensburg. –

Die drey Schwalben habe ich gelegentlich besucht und von Ihnen gegrüßt. Die gute Hausfrau kann Sie nicht genug rühmen und schmeichelt sich immer mit der Hoffnung Ihrer baldigen Ankunft; ja sie sagt: »So oft ich blasen höre, glaube ich immer, der Herr Direktor kommt.« Wollte Gott, daß dieß wirklich einmahl eintreffen möchte! – Ich selbst habe mich ganz nahe am Neubrunnen zum goldenen Kreuze in der Sprudelgasse eingeschachtelt. Möchte doch die Frau Direktorinn recht bald mir auftragen, Querbier für sie zu bestellen! –

Indem ich recht sehr darum bitte, verbleibe ich mit der schuldigen Hochachtung, Herrn Direktor
Ihr
ergebenster

J Goluchowski mp

Der Frau von Köhler, der Schubertschen und Pfaffschen Familie bitte ich meine herzlichste Empfehlung auszurichten. Auch küsse ich meine alten Freunde: Fritz und Paul, und das gute Linachen. Die Frau Direktorin aber werde ich vor den Thoren Karlsbads bewillkommnen.