Wien, den .
Verehrtester Herr Director, mein unvergesslicher Gönner und Lehrer!
Der Überbringer dieser Zeilen, Herr Doctor Tengström aus Åbo, wird Ihnen erzählen können, dass ich einen ordentlichern Brief an Sie grösstentheils fertig geschrieben, und dass ich ihn meinem jungen Landsmanne, der früh nach München abreist, hatte mitgeben wollen. Allein physische Schwäche hindert mich leider mein Schreiben heute zu beendigen, und es wird erst mit der gewöhlichen Briefpost abgehn. Ich weiß nicht bestimmt, wer früher in München eintreffen wird, der Brief oder der Herr Doctor; wahrscheinlich jedoch der letzte, und in diesem Fall muß ich Sie bitten, mein väterlicher Freund, einstweilen vorlieb zu nehmen mit dem vorläufigen Nachrichten, die Herr Tengström, deßen Bekanntschaft ich hier in Wien gemacht habe, von mir und meinen Schicksalen geben kann; daß ich seit Kurzen hier aus Italien angekommen bin, daß finanzielle Umstände mich jezo nöthigen spornstreichs nach Berlin zu reisen u.s.w. Wie weh es mir thut, München bei Seite liegen zu laßen, und mich nur mit der Aussicht trösten zu müßen, daß ich vielleicht wieder Deutschlands Boden betreten werde, – dies Alles kann ich Ihnen mit keinen Worten ausdrücken. Da ich indeßen in meinem oben erwähnten Briefe Ihnen vollständig die gegenwärtige Beschaffenheit meiner Lage und Verhältniße dargestellt, so bleibt mir für Jezt Nichts weiter Übrig, als Sie um eine gütige Aufnahme für mein nachfolgendes, ausführlicheres Schreiben zu bitten, so wie auch für meinen jungen Landsmann, der bei der Universität in Åbo als Docens in der Natur-Geschichte angestellt ist, seinem eigentlichen Fache nach Arzt, übrigens, wie’s mir scheint, ein gemüthlicher, gebildeter Jüngling, der, von redlichem Eifer für alles Wahre und Gute beseelt, nichts sehnlicher wünscht, als Sie wenigstens einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Diese Stimmung ist jezt bei der literarisch erzogenen Jugend Schwedens und Finlands fast ausschließlich die herrschende. –
Unzählige herzliche Grüsse an Ihre holdselige Gattin, Ihre Kinder und alle Münchenschen Freunde! Bald werden Sie Mehreres vernehmen von Ihrem innigst ergebenen
Daniel Amadeus Atterbom.