Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Geehrtester Herr von Schelling!

Ihre beiden Briefe, der erstere welcher recomandirt war, so wie der andere, habe ich richtig erhalten. – Unendlichen Dank bin ich Ihnen schuldig für alle die Sorgfalt und Mühe, die sie sich wegen meiner, und dem Versuche gegeben, den ich dem Wunsche Seiner K˖[öniglichen] Hoheit gemäß aufzusetzen unternohmen. Als nachher Seiner K˖[öniglichen] Hoheit die Bekanntmachung dieser Zeilen wünschten, sah ich mich genöthigt, mich an Sie zu wenden mit der Bitte, die Correction des Ganzen gütigst zu besorgen; Dieß war zwar ein Erfragen von meiner Seite, allein ich sah mich eines Theils dazu genöthigt auch war ich anderer Seits zum voraus überzeugt, daß Sie in einem solchen Falle ihren treuen Giovanni Furioso nicht wieder im Dreke steken lassen, und daß Sie mir diesen Freundschafts-Dienst umso weniger versagen würden, da Sie mich so zimlich kennen, wissen, was ich leisten kann, und daß Schreiben meine Sache nicht ist, folglich Ihres Beistands im höchsten Grade bedarf. Doch daß Sie sich mit solchem Eifer und Wärme dieser Sache angenohmen haben, verdiene weder ich, noch meine Schrift, noch weniger aber jenes Lob über dieselbe, welches mich erröthen machte, welches bei einem Stük Fleische, wie ich bin, nicht wenig sagen will. – Sollte übrigens (nun ins hochste gesprochen) was Gutes daran zu finden sein, so gehört dieses mir nicht zu, sondern der Sache selbst, von welcher beseelt ich nach meiner Uberzeugung niederschrieb, was ich fühlte, und wovon ich durchdrungen war. – – Daß ich hie und da in meinen Citationen nicht ganz pünktlich gewesen, und Sie aus dieser Ursache umso mehr Mühe hatten, solchen aufzufinden, thut mir sehr leid; In einem andern Falle werde ich gewiß aufmerksamer sein. Doch dieß geschah zum Theil, weil ich mich aus Mangel des Nöthigen Buches theils einer deutschen, theils einer Italienischen Übersetzung des Pausanias bedienen mußte.

Ob ich noch einen Nachtrag meiner Schrift liefern werde, so wie es im Sinne hatte, darüber bin ich mit mir selbst noch sehr im Zweifel. Ich hatte einen Anfang gemacht, meine Gedanken oder Ansichten über die frühere Kunst der Griechen (wohin eigentlich diese Aeginetische Werke gehören, und von welchen Winkelman beinah gar nichts bestimmtes sagt, sondern ganz flüchtig darüber weggeht.) im Zusammenhange aufzustellen, und war Willens solche als eine zweite Abtheilung der erstern beizufügen, oder nachfolgen zu lassen. Mein Plan war eigentlich dieser; Nemlich erstlich einen Überblik der egyptischen Kunst in allgemeinen zu geben (besonders der frühern) und ihren Karakter, so viel als nöthig zu bezeichnen. Diese Vorausschikung finde ich für nothwendig, weil nach meiner Meinung oder Ansicht der Dinge, die Kunst der Egypter den später sich ausbildenden Griechen zum Muster gedient. Ich wollte sodann zu der Kunst der Griechen übergehn, und zeigen, wie solche allmählig aus den Egyptischen Stil, der ihr zur Grundlage gedient hervorgegangen, nach und nach selbständiger geworden und eigene Schulen gebildet habe. Alles dieses liese sich, wie ich glaube, zum Theil historisch, zum Theil auch aus dem Karakter der frühern griechischen Kunstwerke selbst erweisen. Leztlich hatte ich die Absicht, auch einen Nebenblik auf die Kunst der Hetrurier zu werfen, um zu zeigen, daß (so wie es höchst wahrscheinlich ist) der auf die Egyptische Kunst gegründete Altgriechische Stil sich aus Griechenland nach Hetrurien herübergepflanzt habe, seinen ursprünglichen Karakter in der Folge jenes in etwas weniges geändert habe, in der Hauptsache aber als ein bloser Nebenzweig des Altgriechischen Stils anzusehen sey. – Dieß ist in der Kürze der Inbegriff meiner Ansichten in Hinsicht des Altgriechischen Stils, dessen Verwandschaften, und Nebenverbindungen, welche ich gesonnen war, als einen Anhang mit beyzufügen. – Was meinen Sie dazu? – Ich weiß wohl, daß diese Ansichten in vieler Hinsicht anstösig sein, und manchen Wiederstand finden werden; Doch dieses soll mich desswegen noch nicht irre machen, ich wenigstens sehe die Sache so zimlich klar vor mir liegen.

Zur Probe kann ich Ihnen vielleicht einen Theil davon gelegenheitlich überschiken, nicht daß es gedrukt werden soll, sondern blos um Ihnen meine Gedanken zur Beurtheilung vorzulegen. Auch ist es nicht Seiner K˖[öniglichen] Hoheit dem Kronprinzen davon in Kenntniß zu sezen, da dieses eine Sache für sich ausmacht, und in keiner Absoluten Verbindung mit den Aeginetischen Werken steht. Ich bin in vielen Stüken von der Meinung Winkelmans und anderer abgegangen, weil sie solche, wie ich glaube, nicht so recht mit den aus den neueren Endekungen entsprungenen Resultaten vertragen wollen. Ja diese Resultate sind vielmehr von der Art, die Kunstgeschichte auf einen kürzeren der Natur der Sache angemessenern Weg darzustellen, und die Wiedersprüche, die diese Herren bis jezt nicht vereinigen konnten, mit einem male, wie von selbst, in Verbindung treten lassen, und das Gebäude der früheren Kunstgeschichte ergänzen helfen. Ich erwarte sodann Ihr so wichtiges Urtheil hierüber, und bitte Sie vorzüglich mir sodann alles pünktlich anzumerken, was Ihnen nach Ihren Ansichten anstösig, oder wiedernatürlich scheinen möchte, und zugleich Ihre Gegengründe mitbeizufügen.

Der Zweifel, den Sie mir in Ihren Schreiben äusern, nemlich über die von mir angenohmene Abstammung der Altgriechischen Kunst von der Egyptischen, befremdet mich nicht; Auch finde ich die Einwürfe die Sie mir in dieser Hinsicht machen, ganz an ihrer Stelle. Es ist wahr, Pausanias unterscheidet bei mehreren Gelegenheiten die ältern Attischen, Aeginetischen, und Egyptischen Kunstwerke bestimmt von einander. Dieses gebe ich alles gerne zu, auch steht dieses mit meiner Meinung keineswegs im Wiederspruch. Um mich hierüber nur einigermasen verständlich zu machen, will ich Ihnen hier, bis ich Gelegenheit haben werde, solches umständlicher zu thun, ein Beispiel aus der neuern Kunstgeschichte anführen, zu deutlicherer Erklärung meiner in dieser Hinsicht gesagten Meinung oder Ansicht.

Es ist bekannt, daß die Kunst in dem neurer Zeitrechnung, durch äusere Verhältnisse begünstigt, von neuem Anfing sich zu heben um zu neuem Glanze hervorzutreten. Bis dahin hatte sie sich nur kümmerlich unter wenigen griechischen Künstlern und Mönchen in jener steifen Form der Mittelzeit, welche wir die Bizantinische zu nennen pflegen, fortgepflanzt. Auch waren selbst die Werke des Cimabue und seiner Zeitgenossen nichts anders als eine nur unmerkliche Vervollkommnung jenes bizantinischen Stils, von welchem sie, als von ihrer Grundlage ausgiengen. Dieser bizantinische Stil erhielt sich in allen Werken des , mehr oder weniger stark, bis endlich Michael Angelo und Raphael eine neue Bahn brachen und die alte Hülse der Kunst, die ihr bis dahin gleichsam zum Gerüste gedient hatte, vollig abwarfen. Dieser, von der Wiederauflebung der Kunst bis auf die Zeiten Raphaels herrschende Stil wird nun mit dem Allgemeinen Ausdruck oder Benennnung, Stil des 15ten Jahrhunderts (lo Stile del Cinque Cento) bezeichnet. Dieser in den damaligen Zeiten allgemein herrschende Stil hatte nun demohngeachtet wieder seine Unterabtheilungen, oder unter sich verschiedenen Schulen, als der florentinischen , feraresischen, Venetianischen etc. etc. obschon sie im Allgemeinen doch alle das Gepräge jener Zeit, und ihrer bizantinischen Abkunft an sich trugen, und zusammen unter der Benennung des, dem 15ten Jahrhundert eigenthümlichen Stils begriffen waren.

Eine gleiche oder ähnliche Bewandtniß hatte es nun, wie ich glaube, mit dem Altgriechischen Stil. Die Egyptische Kunst diente den später sich ausbildenden Griechen zur Grundlage oder Muster, so wie der bizantinische der wieder aufblühenden Kunst des . Der altgriechische Stil trug im Allgemein das Gepräge Egyptischer abkunft (dieß erhellet nur allzu deutlich aus ihren Werken) demohngeachtet zerfiel, oder theilte er sich in Unterabtheilungen oder Schulen, als der ältern Attischen, welche dem ältern Daedalus, die Aeginetische, die dem Smilis, und etwas später der Sycionischen Schule, welche dem Dipönus und Skillis zu ihren Stifter hatte. Diese Schulen jener frühern Zeiten konnten, obschon sie alle gleicher Entstehung, und ihrer Urform nach Egyptischen Ursprungs waren, dennoch unter sich in etwas verschieden gewesen, so wie dieses der Fall bey den verschiedenen Schulen des ist, welche, obschon sämmtlich bizantinischen Ursprungs, und ein ihnen durchaus eigenthümliches Gepräge haben, und desswegen mit der allgemeinen Benennung des Stils des 15ten Jahrhunderts bezeichnet werden, dennoch durch gewisse Eigenthümlichkeiten wieder unter sich in etwas verschieden sind. –

Vielleicht werden Sie durch diesen Aufgestellten Vergleich besser einsehen, wie ich dieses meine, und mir die Sache im Zusammenhange vorstelle, und in wiefern ich glaube, daß jener anscheinliche Wiederspruch sich heben lasse. Doch wäre zum Voraus erst gehörig darzuthun, daß wirklich die Kunst der Egypter jenen beträchtlichen Einflus auf die frühere Kunst der Griechen gehabt, wie ich hier voraussetze, und wie ich solches noch darzuthun gedenke. Hierüber in meinen nachfolgenden Versuche vielleicht ein mehreres.

Ich kehre nun von dieser Ausschweifung wieder zur Sache zurük. – Es wäre zwar in Hinsicht der Aeginetischen Werke noch vieles zu errinnern, und nachzutragen gewesen, Dinge, welche sich erst bei den nachherigen Ergänzungen endeken liesen; Allein nun möchte es zu späte sein, auch sind dieser Bemerkungen so viele noch zu machen, so daß ich es für rathsamer halte, dann wenn einmal diese Figuren völlig ergänzt sein werden, einen Nachtrag zum Ganzen zu machen, und bei dieser Gelegenheit das noch zu erwähnende mit einfliesen zu lassen

Auf die Frage, wie viele Exemplare ich dann zu erhalten wünsche, weiß ich wahrlich nicht zu antworten. Ich wünsche blos einige zu erhalten, und überlasse es völlig Ihrem Gutachten. Unterdessen wünsche ich jedoch daß die Zahl derselben nicht unter 6 sey. –

Noch mehr beschämte mich die Anfrage wegen des Honorars. Denn sollten diese ZeilenZeilen einigen Wehrt haben, oder beim Publikum einiges Interesse erregen. So komt dieses in keinem Fall auf meine Rechnung. Es ist das Interesse welches diese Werke an und für sich selbst erregen, besonders aber die Beisätze und Erläuterungen, welche Sie aus besonderer Freundschaft für mich, gütigst mit beyzufügen beliebten, wodurch das Ganze ein umso grösseres Interesse und umso bessere Aufnahme beim Publikum finden wird. Ich bin also sehr unschuldig in der Sache. Ich schäme mich daher davon zu sprechen, noch mehr aber darüber zu disponiren.

Der Alterthumsforscher Hirt aus Berlin ist vor wenigen Tagen auch hier angekommen, Doch hat er bis jezt diese Aeginetische Werke noch nicht gesehen. Ich bin neugierig, wie er sich darüber äusern wird. –

Die mir aufgetragenen Grüße an Fritz Gärtner habe ich bestellt, er ließ sich Ihnen bestens und vielmals empfehlen. Er wird, wie er mir sagte, mit dem allergrösten Vergnüeg die Aufstellung dieses Monoments übernehmen und gewiß bestmöglichst besorgen. Auch habe ich mit Thorwaldson gelegenheitllich davon gesprochen, und mich nach allem zu erkundigen gesucht, ohne jedoch merken zu lassen, daß die Anfrage von Ihnen selbst käme. Er sagte mir daß die dazu gehörigen halberhobenen Arbeiten längst vollendet seyen, bis auf einige Verbesserungen daran vorzunehmen gedenke; Und welches er nächstens thun wolle. Doch muß ich Ihnen sagen, daß Thorwaldson ein ganzer wunderbahrer Heilger ist; man kann nie mit ihm aufs Reine kommen, dabey ist er im höchsten Grad fahrläsig und säumselig, es kommt bey ihm nichts zu Stande. Er unternimt alles, verspricht viel, vollendet Aber sehr wenig. Eben so steht es auch mit der Statue des Adonis den er für Seine K˖[öniglichen] H˖[oheit] dem Kronprinzen zu verferdigen welche schon über 6 Jahre da steht, und immer noch nicht vollendet ist, und vielleicht noch Jahre vergehen werden, bis solches geschieht. So habe ich auch meine tausend Noth mit ihm, wegen den Ergänzungen der Aeginetischen Werke. Genug hievon. Ich werde mein möglichstes thun, Lieber Herr von Schelling, dem Thorwaldson ernstlichst zu ermahnen, daß wenige, was er noch daran zu machen gedenkt, baldigst, und bestmöglichst zu vollenden.

Was die Zahlung betrifft, die er dafür erhalten, so scheint mir, so viel nemlich aus seiner Rede zu schliesen ist, daß er keine weitere Foderungen zu machen gedenke. Er sagte mir nemlich, daß er diesen Auftrag mehr aus Achtung für ihre Person unternohmen, als dabey etwas zu gewinnen, daß er auch rechtlich keine weitere Foderungen zu machen berechtigt sey, indem man ihn ja zum voraus gesagt hätte, welche Summe man für die Arbeit verwenden wolle, habe er diese Erhalten, so auch er hiemit vollständig bezahlt. Doch erinnere er sich nicht einmal genau wie viel er erhalten hätte. Dieses zeugt von seinem schläflichen Karakter, und der Fahrläsigkeit in seinen Geschäften. Sein Sie desswegen völlig auser Sorgen. Was ich Ihnen indessen rathe, zu thun ist folgendes. Nemlich baldmöglichst an ihm selbst zu schreiben, daß Sie nunmehr gesonnen seyen, da nun Gärtner ehestens zurükreisn würde, durch demselben daselbe aufrichten zu lassen. Sie können vielleicht bey dieser Gelegenheit die Summe wiederhohlen die Sie ihm im Ganzen gezält haben. und daß er auf diese Weise die Summe vollständig erhalten habe, die für diese Arbeit ausgesagt gewesen. Wie dieses gehörig einzukleiden, wissen sie ja am besten. – Wollen Sie dieses aber nicht selbst thun, so geben Sie mir den Auftrag solches ins Reine zu bringen. – Doch halte ich ersteres für rathsamer.

Die Nachricht von der gefährlichen Krankheit unsers vielgeliebten Kronprinzens, sezte uns alle in die Gröste Bestürzung. Zwar erhielten wir hier mit dieser traurigen Nachricht auch die Seiner Besserung; Allein dann erst, als sich die Nachricht Seiner Besserung fortwährend bestätigte, verschwand allmählig die Besorgniß um Seine Erhaltung. Gott gebe daß er nun vollig hergestellt sey.

In nächstfolgenden Jahre, daß ist , werde ich, wenn nichts anderst dazwischen kommt, und die Ergänzungen, und alles was noch dazu gehört, vollendet sein werden, endlich einmal wieder das lang gewünschte Vergnügen haben Sie wieder zu sehen, Ihren Umgang zu geniesen, und mich einmal wieder geistig erwärmen zu können. Ewig unvergesslich sind mir jene Stunden, jene Abendstunden, die ich bey Ihnen verlebte. Es ist doch eine erbärmliche Welt, daß es in derselben so wenige Menschen gibt, mit denen man so eigentlich von Seelen und Leibesgrund harmonirt; was aber noch schlimmer ist, daß das Schiksal auch dann, wenn man ja das Glük gehabt, ein solches Wesen zu finden, nicht einmal erlauben will, in dessen Nähe zu leben. Schon tausendmal habe ich Sie zu mir nach Rom gewünscht, weil ich glaube daß sie hier weit freyer und ruhiger leben könnten. Nur müßten Sie vorher Ihren Namen vertauschen, denn sonst hätten Sie auch gleichfalls die Nachtruhe nicht. Sie müßen doch noch einmal nach Rom, und sollte es auch nur auf ein halbes Jahre sein.

Zum Schlusse noch eine Bitte; Sollten Sie Bester Herr von Schelling, einige gute und nüzliche Bücher für mich wissen, so bitte ich Sie vielmals, mir solche durch irgend einen hereinreisenden Kourier oder sonstige Gelegenheit mitzuschiken, und die Kosten mir anzurechnen. Ich würde Ihnen dafür unendlich verbunden sein, weil man hier ganz nichts von deutscher Litteratur zu lesen bekomt, und ich so sehr wünsche deren welche zu besizen. Nächstens soll, wie ich höre, bald wieder ein Kourier von München hieher reisen.

Empfehlen Sie mich bestens Ihrer Gemahlinn, und behalten Sie stets im Andenken
Ihren
innigst ergebensten, und treu gehorsamsten

Giovanni ###