München am .
Am tröstlichsten aller Feste kommt es mir wieder, Ihnen, würdigster Mann, zu schreiben. Wie sehr hat mich Ihr Brief erfreut! Das hatte ich mir nimmer einbilden können, daß Sie meine geringen Bemühungen im mit Ihrer jetzigen Lage in eine solche Verbindung brächten. Wenn dem so wäre, wenn ich Ihnen Trost für eine noch bevorstehende Zeit hätte bereiten müssen, so könnte mich dieß nur in Demuth versenken, die natürlichste Empfindung, wenn wir gewahr werden, daß wir ohne unser Wissen zu einem höheren Zwecke sind gebraucht worden. Doch darf es mich auch freuen, Ihnen etwas geworden zu seyn, da ich mich so oft mit Ihnen im Reden erquickt habe und Ihrem Umgang so viele Bestätigung verdanke.
Wenn Sie irgend etwas in meinem letzten Schreiben würdig finden, einem Denkmal für die Selge einverleibt zu werden, so gebe ich dazu herzlich gern meine Einwilligung; nur meinen Namen wünschte ich nicht genannt, was auch ohnstreitig nicht die Meynung ist.
Ist es Ihnen bey dem Tode Ihrer geliebten Gattinn nicht ebenfalls so ergangen, daß Ihnen die hohe Beziehung des Physischen dadurch um vieles klarer geworden ist? Ich habe von jeher das Leibliche nicht so herabgesetzt, als der Idealismus unserer Zeiten gethan hat und noch thut. Aber in einem solchen Fall wird uns seine Wesentlichkeit noch auf ganz andere Weise fühlbar. Wir können uns nicht mit einem allgemeinen Fortdauern unserer Verstorbenen begnügen, ihre ganze Persönlichkeit möchten wir erhalten. Wie wohltätig ist denn der Glaube, daß auch der schwächere Theil unserer Natur in Gott aufgenommen ist, die Gewißheit von der Vergötterung der ganzen ungetheilten Menschheit durch Christus! In der That, wenn diese mystische Verbindung der göttlichen und menschlichen Natur der höchste Punct im ganzen Christenthum ist, so ist die Ueberzeugung von der Einheit Gottes und der Naturkraft, der sie nicht bloß als ein Beherrschtes oder Hervorgebrachtes sondern auf eine eigentlichere und persönlichere Weise zu ihm gehört, der letzte Durchdringungspunct menschlicher Wissenschaft. Von diesem aus erscheint uns erst alles im höchsten Lichte. Gerade der Tod, der uns unsre Abhängigkeit von der Natur verwünschen läßt und der ein menschliches Gemüth im ersten Eindruck mit Abscheu gegen diese unbarmherzige Gewalt erfüllt, die auch das Schönste und Beste, wenn es ihre Gesetze fordern, schonungslos vernichtet, gerade der Tod, tiefer erfaßt, öffnet uns das Auge für jene Finaleinheit des Göttlichen mit dem Natürlichen. Wir können einmal der Natur eine gewisse untergeordnete Allmacht nicht abstreiten, wenn sie nun nicht Gottes ist, so ist sie eine Art von anderem Gott, dem wir wenigstens mit einem Theile unseres Wesens angehören; wie können wir nun Kinder des wahren Gottes seyn, da wir doch nicht von seinem Fleisch und Blut sind, oder wie wird der Gott, der lauter Geist ist, den Leib auferwecken, der dem andern Gotte angehört, und ihn mit dem Geiste wieder verbinden, der allein seines Geschlechts ist?
Eine ähnliche Gedankenfolge habe ich schon vor langer Zeit in einem alten Buch gelesen und der heutige Tag erinnert mich daran, von dem ich mir denken kann, zu welchem Trost er Ihnen besonders in diesem Jahre gereichen wird.
Ohne jene letzte Hoffnung wäre selbst die Gewißheit der sogenannten Unsterblichkeit nur eine halbe, eine mit Schmerzen vermischte Freude.
Die Gewißheit, daß der durch den Tod hindurch gegangen ist, der zuerst die Verbindung zwischen der Natur und dem Geisterreich hergestellt hat, verwandelt den Tod für uns in einen Triumph, dem wir entgegen gehen, wie der Krieger dem gewissen Siege. Wir dürfen uns unseres Looses als Menschen freuen: denn gewiß, die Bestimmungen die uns erwarten sind unglaublich hoch, und ich wenigstens, der ich weit entfernt bin von aller sentimentalen Sehnsucht nach dem Tode und fest entschlossen, zu leben und zu wirken, als mir vergönnt ist, muß mir doch den Augenblick des Sterbens als den wonnevollsten des ganzen Lebens denken.
Lassen Sie uns, würdigster Mann, auch ferner im Geiste verbunden bleiben. Der Schmerz befreundet am innigsten. Könnte ich doch jetzt nur bisweilen ein Stündchen bei Ihnen in Ihrem schönen Garten sein, wir wollten manches Opfer des Andenkens bringen und von würdigen Gegenständen reden.
Von den Weltaltern sind 11 Bogen, das ganze erste Buch gedruckt, es kann wohl über 30 stark werden. Der Druck geht langsam, weil er auswärts besorgt und die Correctur hierher geschickt wird; sobald das Ganze fertig ist, werden Sie es erhalten.
Ich empfehle mich Ihrem geneigten Andenken und bin mit der herzlichsten Ergebenheit und Verehrung ganz der Ihrige
S.