Erlangen .
Sobald ich einigermaßen hier zur Ruhe gekommen war, dachte ich Ihnen, Verehrter Gönner und Freund, zu schreiben; in diesem Augenblick erhielt ich Ihr Schreiben vom ; nun Sie mir einmal zuvorgekommen waren, wollte ich wenigstens ausführlicher schreiben, aber wie es zu gehen pflegt – grade darüber schlich wieder ein ganzer Monat dahin; nun aber will ich doch die Reise nach Carlsbad, wohin ich dieses Jahr gern so früh’ gehe, nicht antreten, ohne Ihnen noch zu danken für Ihr freundliches Andenken und Ihnen zugleich einige Nachricht von meinem hiesigen Leben und Befinden zu geben. Ohnerachtet ich so spät hier eingetroffen war, ließ ich mich durch Anhalten und Bitten vieler Studierender, an die sich selbst Professoren anschlossen, bewegen, noch im einen philos˖[ophischen] Cursus anzufangen, wenigstens um meinen guten Willen zu zeigen. Nach der langen Entwöhnung und da ich nichts zu diesem speciellen Zweck vorgearbeitet hatte, kostete mich der freye, durch kein Heft unterstützte, oft nothgedrungen extemporirte, Vortrag, allerdings Anstrengung, der meine Gesundheit gegen den hin fast erlegen wäre, doch blieb ich standhaft, und setzte, obwohl mit öfteren Unterbrechungen, meine Vorträge fort, führte sie auch noch, obwohl in sehr concentrirter Form, zu Ende; aber natürlich hatte dadurch meine Gesundheit nicht gewonnen. Inzwischen kam der wunderherrliche , dengleichen ich keinen mehr genossen hatte, und dieser hat denn so ziemlich die Schäden des Winters wieder gut gemacht. Man sieht es dem kleinen Erlangen in der bloßen Durchreise nicht an, welche Annehmlichkeiten es in der schönen Jahreszeit darbietet; wenn Sie nicht, wie ich hoffe und wünsche, diesen uns vielleicht besuchen, so lasse ich Ihnen keine Ruhe, Sie müssen einmal den ersten Frühling hier sehen, es gibt wenige Puncte in dem cisrhenanischen Deutschland, wo er schöner ist! Das gesellschaftliche Leben hier ist heiter, gefällig, einfach und ich kann sagen ganz nach meinem Geschmack; Himmel und Natur um ein Bedeutendes milder und wohlthuender, als auf der hohen Haide von München; nur Eines vermisse ich sehr, die literarischen Hülfsmittel, die reiche Bibliothek, denn diese ist hier weit unter meiner Erwartung (die doch ziemlich gering war) arm und unvollständig, hier muß Ihre Freundschaft zu Hülfe kommen und in der Folge mich unterstützen. Das ist ohngefähr, was ich von meinem hiesigen Leben schreiben kann, woraus Sie indeß schon abnehmen werden, daß ich mit dem getroffenen Tausch nicht unzufrieden bin. Befinde nun ich mich gut, so meine Familie noch besser, da eine kleine Stadt mit reizender Umgebung Frauen und Kindern immer mehr Annehmlichkeiten darbietet als eine große, in deren Umkreis wenig oder nichts wächst und blüht. –
Da Sie eines Befehls erwähnen, die Acten wegen der Verhandlungen über die academische Verfassung einzusenden, so bitte ich Sie, inwiefern dieß noch nicht geschehen ist, oder inwiefern es auch schon geschehen ist aber eine andre Veranlassung sich dazu darbietet, in meinem Namen die Erklärung zu Protocoll zu geben oder in einen Bericht einfließen zu lassen,
daß ich in Bezug auf die unter den Bemerkungen der Mitglieder vorgekommne Beschuldigung der Commission, daß dieselbe den erhaltnen Auftrag, mit Beybehaltung der Grundlagen bloße Modificationen vorzuschlagen, überschritten habe, mich veranlaßt sehe, im Gegentheil zu erklären: wie nur insoferne, als vorausgesetzt worden, daß an den eigentlichen Grundlagen nichts geändert werden dürfe, ich den der Commission gemachten Vorschlägen beygepflichtet habe und noch beypflichten könne.
Denn freylich war ich immer überzeugt und bin es noch jetzt, daß unsre mühselig zusammengebrachte und abgewogne Arbeit doch nur Stückwerk sey, und das, was man vielleicht beabsichtigt, ebenso wenig als das frühere hervorbringen, höchstens mehr Form in die Verhandlungen und in die amtlichen Verhältnisse der Academie bringen werde.
Unsrem gemeinschaftlichen Freunde, Herrn Geh[eim]R[ath]˖ von Moll, dessen Wohlwollen bey mir in dankbarem Andenken lebt, bitte ich Sie von mir die herzlichsten Grüße zu bringen, inwiefern es die Zeit vielleicht nicht mehr erlauben sollte, wie es meine Absicht ist, einige Zeilen für ihn beyzulegen.
Noch bitte ich, mich und meine Frau Ihrer Frau Gemahlin bestens zu empfehlen. Erhalten Sie mir Ihr freundschaftliches und collegialisches Andenken und zählen Sie in allen Umständen auf die vollkommne und aufrichtige Hochachtung, mit der ich verharre
G[an]z der Ihrige
Schelling.
N.S.
Dürfte ich um sichre Beförderung der Inlage bitten?