Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

Geheimen Hofrath von Schelling

in

München.

fr˖[ey] Gr[en]ze˖

No. 3.

No. 5.

Schon glaubte ich ohne Briefe zu bleiben, als gegen die Gewohnheit Nachm˖[ittag] 4 Uhr Deine beyden Briefe, der vom 28. und der vom 29., zugleich ankamen. Was mein Befinden betrifft, so kannst Du ganz ruhig seyn. Der Katarrh hat sich zwar nicht unterwegs, aber hier in den ersten Tagen, wo ich Mühlbrunnen trank, verloren. Der Regen war die ersten Tage so anhaltend und heftig, daß man fast eine Überschwemmung fürchtete; doch die Luft dabey warm. Jetzt endlich kann man ohne Regenschirm gehen, allein die Besserung ist sehr langsam, vielleicht das gute und warme Wetter dann desto dauerhafter. Mit der Wohnung bin ich sehr zufrieden, sollte ich je wieder mit Dir allein hier seyn, so würde ich sie wieder nehmen; mit allen Kindern wäre sie doch zu klein. Mit dem Baden geht’s vortrefflich. Ich habe ein Badecabinettchen im obern Stock. Temperatur und alles was sonst dabey zu beobachten ist wird auf’s Leichteste bewerkstelligt. Man ist doch immer bequemer mit einem Menschen dem man befehlen, und den man dressiren kann. Die Wäsche wird in einem Korb mit Kohlen viel besser als an einer Wärmflasche gewärmt. Kurz, es geht mir nichts ab, ich befinde mich wohl, und seit heute sogar vortrefflich. Nur mit der Kost sieht es schlecht aus, und ich kann sagen, daß ich bis jetzt keinen guten Bissen über den Mund gebracht. Indeß befinde ich mich vielleicht nur desto besser. Abends esse ich gar nichts. Die ersten Tage habe ich in Gesellschaft theils von Vieweg (der jetzt abgereist ist) theils von Prof. Breslau aus München, und einem MedicinalRath aus Stuttgart den Karl hieher geschickt hat bey Bolzen zu Mittag gegessen; aber das Essen ist schlecht und der Ekel vor der schlechten Tischwäsche etc. kaum zu überwinden. Heute versuche ich einmal zu Haus, aus dem blauen Hecht, zu essen. Von Morgen an haben wir etwa unsrer 5 im sächsischen Saal zu essen verabredet. Soviel von mir! –

Carlsbader Neuigkeiten: Dr. Leo ist zum Besten aller Carlsbad Bedürftigen dieß gestorben. Es sind ordentlich mehr Leute, wie sonst, am Sprudel. Auch diesen haben die andern Ärzte wieder manchen Bock geschoßen. Prof. Breslau, der mir eine sehr angenehme Gesellschaft ist, ist durch seine Beobachtungen ganz auf dasselbe Regime beym Trinken und Baden geführt worden, bey dem ich mich nun schon zum dritten mal so wohl befinde. Er imponirt den hiesigen Herrn gar sehr. Mlle de Carro hat einen Polen geheyrathet, der wie ihr cher papa, den Br˖[eslau] den officier de santé nennt, erzählt, in Wien ein eignes Haus und keine von den minder löblichen Eigenschaften seiner Landsleute an sich hat. Rehmann hat hier sehr viel Geld mit Praxis verdient. – Monsieur Cuno ebenfalls †.

Wenn die Ex˖[emplare] meiner Rede noch nicht nach Weimar abgegangen sind, so sage Obermayer, daß mehrere Ex˖[emplare] abgeschickt werden, etwa 3–4. Kannst Du nicht schreiben, so behalte die Meinige zurück, und laß die Ex˖[emplare] durch Obermayer – frankirt – abschicken, ohne Brief gib dem Oberm˖[ayer] Goethes Addresse – auch an Kanzler von Müller einige. – Du kannst alsdann hintennach die Meinige für sich schicken, und dem alten Herrn dazu schreiben. – Du scheinst den Streich de sa façon, den mir der altväterlische Bösewicht in der Allg˖[emeinen] Zeit˖[ung] gespielt hat, nicht bemerkt zu haben. Auch der Artikel von Thiersch ist in seiner Art; er nennt den Herzog – Herzog von Birkenfeldt, was er gar nicht gern hört, und ihm sehr respectswidrig vorkommen wird.

Stell Dir vor, sitz’ ich im Bade, höre eine etwas unangenehme, halb bekannte Stimme nach mir fragen. Dann nennt der Unbekannte seinen Namen, es war Hegel aus Berlin, der mit einigen Haller’schen Verwandten aus Prag hieher gekommen ist, und sich ein Paar Tage auf der Durchreise hier aufhalten wird. Nachmittags kam er zum zweiten mal sehr empressirt und ungemein freundschaftlich, als wäre zwischen uns nichts in der Mitte; da es aber bis jetzt zu einem wissenschaftlichen Gespräch nicht gekommen ist, auf das ich mich auch nicht einlassen werde, und er übrigens ein sehr gescheidter Mensch ist, so habe ich mich die Paar Abendstunden gut mit ihm unterhalten. Noch habe ich ihn nicht wieder besucht; es ist mir etwas zu weit in den goldenen Löwen. Eben geht Herr Schwabe von mir, der ich weiß nicht warum heute hieher kam.

Den lieben Kindern will ich das nächste mal schreiben, denn ich werde zum Bad abgerufen. Grüße und küsse sie herzlich von mir. »Erwarte ja sobald keine Briefe«, schreibst Du mir, und doch hast Du Kinder, die schreiben können und die mir doch Nachricht geben könnten, wie es Dir geht und ob Friz angekommen ist oder nicht?

Gott gebe, daß wenn dieser Brief Dir zukommt, alles bey Dir glücklich vorbey und Du wieder auf – und in gewohnter Bewegung bist.

Grüße auch alle Freunde, besonders Ringseis
Die herzlichsten Grüße an die liebe Tante.

Lebe recht wohl und wo möglich gesund. Meine innigsten Wünsche sind mit Dir.

Dein

tr[euer] S

Eben da ich den Brief schließen will, kommt obiger Seccatore zum zweitenmale – um ihn vor der Hand los zu werden mußte ich ihm versprechen, um 4 Uhr ihn zum Spaziergang abzuholen.