An
Herrn Director von Schelling
in
fr˖[ey] Gr˖[enze]
No. 36.
Carlsbad den .
Geliebter bester Freund!
Schon wieder ein lieber Tag den wir nicht mit einander begehn können! Mit Dank und Rührung feyere ich ihn in der Stille, der gute Dicke hätte also nun auch die erste Lebensstufe glücklich überschritten! Wenn ich zurük denke an alle unsre Sorge und Angst um ihn in den ersten Monaten seines Daseyns, blicke ich mit heißen Dank zu dem Geber alles Guten, der auch ferner sein junges Leben beschützen und bewahren möge! Gewiß haben Deine Gedanken uns heute auf gesucht, wie die meinigen wenigstens schon beym Sprudeltrinken am Frühstüktisch nach Erlangen wanderten und das freundliche Gesichtchen beym Prezelaustheilen sich vergegenwärtigten. Auch in Carlsbad sind dem hohen Tag zu Ehren beym Kaffe welche erschienen, das zur Notiz für die Buben die es intressiren wird. Noch ehe diese Feyer statt fand erhielte ich diesen Morgen Deinen lieben B˖[rief] No. 18, der aber nicht viel mehr als häusliche Angelegenheiten abhandelte die ich nun auch bündig beantworten will, da Du Dir ja meinen guten Rath gänzlich verbittest. 1) wegen des Holzes war es mein Wille keineswegs, daß es ungeschlichtet bliebe, im Gegentheil hätte das natürlich geschehn sollen nur daß es nicht gehauen werden sollte, hatte ich der Chathrine aufgetragen wegen allerley Gründen. Da bey meinen längern Außenbleiben erforderlich ist, so habe die Güte zu befehlen, daß der Holzhauer es zweymal schneidet, und dann in die Holzlage schlichtet so luftig wie nur möglich. Auch der Bauer wird freylich bezahlt werden müssen, ich habe richtig 6 fl. 24 kr. p. fl. accordirt. 2) die Münchner Obligation findest Du rechter Hand in der obersten kleinen Schiebelade meines Schreibtisches unter andern Pappieren. Du kannst sie gleich an dicken Pappier in der Form eines Rescripts erkennen. Auch ich bin nun des Geldes benöthigt, da bey der gewissenhaftesten Sparsamkeit das meinige bis auf wenige fl. geschmolzen ist und ich ersuche Dich mir so bald Du kannst Succurs zu senden wären es 20 fl. mehr als hundert würde es mir lieb seyn. Mit unsern Finanzen sieht es freylich jetzt nicht brillant aus; werde ich aber nur wieder gesund so sollen sie bald wieder auf einem grünen Zweig kommen. Du kennst mich doch nicht recht, liebstes Leben! daß Du meinst ich wäre im Stande mich jetzt über so etwas ängstigen und zu grämen. Wenn ich zu Hause bey Dir bin, hast Du wohl recht, daß ich mich ängstige und sorge das Deinige recht zusammen zu halten, was einer guten Hausfrau aber auch mit Recht obliegt; aber entfernt von Dir und den Kindern habe ich nur einen Gedanken nur einen Wunsch in der Seele – das ist Dein und der Kinder Wohl und Glück, und mein Herz ist so ganz mit Sehnsucht nach Euch erfüllt und durch drungen, daß etwas Fremdartiges es nicht zu berühren vermag, wie viel weniger dergl˖[eichen] irdische Sorgen, nein ich werfe alle meine Sorgen auf dem Herrn, der nun auch in dieser bösen Zeit der Trennung alle unsre Kinder so wunderbar vor jeden Übel bewahrt hat. Wie viel Freude mir die Kleine alle Tage macht und wie ordentlich und gescheut sie sich auch jetzt bey der neuen Kost benimmt kann ich Dir gar nicht genug rühmen.
Des guten Fritzle Geburtstag wird verregnet. Ist es denn bey Euch auch jetzt immer so unbeständiges Wetter? Hier ist kein Tag ohne Regen und die Morgen sind schon so kühl und herbstlich wie im October, auch ist jetzt die Badegesellschaft schon recht klein zusammen geschmolzen und bekommt alle Tage neue Risse. Noch habe ich unausgesetzt fort getrunken, ich hatte vorige Woche meine Periode erwartet, wo ich dann noch einige Tage länger mich auszuruhn vor nahm; nun ist sie aber gegen alle Erwartung nicht eingetroffen und da es mir Mitterb˖[acher] nicht förmlich untersagt hat so habe ich frisch weg die Kur fortgesetzt, die Tage sind mir zu wichtig und kostbar als daß ich sie ungenützt sollte verstreichen lassen, ich glaube es war nur zu große Ängstlichkeit von M˖[itterbacher] der fürchtete der längere Gebrauch könne mich zu sehr abmatten - nun bin ich freylich matt aber doch nicht mehr als bey dem frühen Aufstehen der Bewegung und den nothwendigen Strapatzen der Kur natürlich ist.
Nun wäre es aber die höchste Zeit den Brief zu endigen. Herzu und küße die lieben Kinder. Pauls Reisebeschreibung hat mir viel Spas gemacht. Lebe tausend mal wohl mit warmer Liebe drücke ich Dich in Gedanken an meine Brust.
P.