Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Durchlauchtigster Kronprinz,
Gnädigster Fürst und Herr!

Durch Eurer Königlichen Hoheit Gnädigstes Vertrau’n fühle ich mich höchst geehrt; möchte ich nur im Stande seyn, demselben zu entsprechen.

I. Auf Eberhard’s im Bart Grabmal befand sich kein Bildniß, wie ich aus der beygelegten Schrift S. 341. Anmerk˖[ung] ersehe: diese Lebensbeschreibung, ebenso gründlich und dem Styl nach besser geschrieben, als die von H˖[erzog] Christoph, wage ich zu übersenden; wie tief geschichtlich Eurer Königlichen Hoheit Urtheil ist, beyder Fürsten Bildnisse nicht zu trennen, zeigt die Vergleichung beyder S. 338ff., von der ich vorauszusagen wage, Eure Königliche Hoheit werde sie mit Freude lesen. Ob außer dem Bild, nach welchem der Stich vor Pfister’s Buch ist, ein andres altes, in Stein oder Metall, vorhanden, weiß ich nicht, kann aber auf Eurer Königlichen Hoheit Befehl sogleich in Erfahrung gebracht werden.

II. Jacob Böhme ist ein außerordentlicher Mann, den seine Eigenheit, durch Mittel wissenschaftlicher Bildung nicht überwunden, verhinderte, das tief Gefühlte zur allgemeinen Anerkennung zu bringen, und wenn im Reiche der Erkenntniß nur derjenige, der eine große Wahrheit oder einen Zusammenhang von Wahrheiten zum bleibenden Gemeingut der Menschheit erhöht, auch auf allgemeine Unsterblichkeit Anspruch hat, könnte J. Böhme’s Bildniß unter den Laribus privatis Gleichgesinnter mehr als in einem allgemeinen und öffentlichen Verewigungs-Tempel an seinem Platz scheinen.

Dennoch, da die Geistesart, die wir Theosophie und Mystik nennen, mitten unter den allgemeineren Richtungen sich immer als weitwirkende Eigenthümlichkeit behauptet hat, weiß ich nicht, ob jede Spur derselben, und ob, wenn die Classe anerkannt ist, das Bildniß J. Böhme’s, der unbestritten größten Erscheinung dieser Art, fehlen dürfte, und da eines künftigen Herrschers, über die engen Meynungen der Menge innerlich erhaben zu seyn, würdig, jedoch darüber Sich auszusprechen nicht immer nothwendig ist, möchten Eure Königliche Hoheit, meines unterthänigsten jedoch ganz unmaßgeblichen, Dafürhaltens Sich den Beschluß deßhalb immerhin vorbehalten. Etwas verschieden ist der Fall mit Paracelsus, der nicht bloß als psychologische Merkwürdigkeit (das Höchste, was J. B˖[öhme] zugestanden wird) sondern als wirklicher, genialer Erweiterer seiner Wissenschaft selbst von denen anerkannt wird, die ihn übrigens wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen.

III. Albertus Magnus wirkliches Verdienst scheint mir nach seinen, mehr compilatorischen als selbständigen, Werken, ziemlich weit z.B. unter dem des zunächst vergleichbaren Roger Bacon in England, und auf jeden Fall geringer, als sein Name, dessen Größe eine mehr fabelhafte als geschichtliche ist. Doch weiß ich nicht, ob nicht auch der Schein, mit dem die Sage ein aus dunkler Zeit hervorragendes Haupt umgeben, sein Recht hat.

Geruhen Eure Königliche Hoheit diese unvollkommnen Äußerungen mit gewohnter nachsichtsvoller Huld aufzunehmen, und die Versicherungen tiefster Ehrfurcht Gnädigst zu genehmigen, mit welcher ich verharre
Eurer Königlichen Hoheit
unterthänigst gehorsamster

Schelling.