Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Frau Directorin von Schelling

gegenw˖[ärtig] bey Madame Gotter

geb. Stieler

in

Gotha.

fr˖[ey] b˖[is] z˖[ur] Gränze.

No. 4.

No. 4.

Liebstes Herz,

Ich schreibe Dir heute gleich wieder, weil ich schließe, daß meine Briefe sehr unregelmäßig gehen. Den vom hättest Du am schon erhalten müssen. Ich danke Dir recht sehr, daß Du mich heute nicht ohne Nachricht gelassen hast, denn ich war doch Clärchens wegen sehr besorgt. Die anstrengende Reise von Stuttg˖[art] bis Gotha, einige Erkältung bey dem scharfen Wind, dem ihr entgegenfuhrt, konnten dem zarten Kind schon sehr zusetzen. Meinetwegen kannst Du ganz außer Sorge seyn. Es hat sich bis jetzt nicht Ein bedenklicher Zufall gezeigt, keine der Empfindungen, die mich im vergangnen Jahr beängsteten. Die Witterung ist hier vielleicht besser als in Gotha, wo sie Dir vielleicht rauher vorkommt, weil Du an die dortige kalte Luft nicht mehr gewöhnt bist und Du Dir alles paradiesischer vorstelltest. Das Wetter war bis jetzt nicht das beste, doch nicht so schlimm, um nicht täglich gehen und mittelst warmer Kleidung sich hinlänglich schützen zu können. Heute mit der Mondsverändrung läßt es sich zum Besseren an. Hätt’ ich meinem Vorsatz getreu die Wohnung nicht vorausbestellt, und eine hinlänglich geschützte und warme mir selbst ausgesucht, so würde mir nichts abgehen. Am Baden lasse ich mich jetzt nicht mehr hindern, der Sprudel wärmt das Zimmer und stärkt gegen die Eindrücke der Luft. Sey’ also nun völlig ruhig wegen meiner, ich hoffe ganz und gar, es so glücklich wie bisher durchzuführen. Unerwartet war Dir vielleicht, daß ich sobald zurückzukehren gedenke. Wünschest Du etwa mit den Kindern bis zum in Gotha zu bleiben, so sage es mir nur grade zu. Ich will mich die Paar Monate in München schon einrichten. Willst Du aber mit mir zurückkehren, so mußt Du Deinen Entschluß bald fassen, zumal Du auf die regelmäßige Ankunft der Briefe nicht rechnen kannst. Wegen der Art, unser Zusammentreffen auf die vortheilhafteste Weise zu veranstalten, wende Dich an Deinen Onkel Adolf, der dieß wohl sehr gut versteht. Wegen Baireuth habe ich das einzige Bedenken, daß wir dort ganz in der Hand der Kutscher sind, während wir in Nürnberg leicht Retour finden, oder wieder einen Erlanger nehmen. Hänlein schrieb im letz[t]en Brief, über dem guten Zustand des Hauswesens woll’ er Dir nach Gotha Nachricht geben. Sonst weiß ich nichts. Friedrich hat es hier gemacht wie in München. Das Wasser hat ihm zum Verwundern gut gethan, kaum aber fühlte er sich etwas besser, so bekam er wieder Anfehlungen wegen seines Hauses in München und des vielen Geldes das er hier verzehre und ist abgereist, weil er eine wohlfeile Gelegenheit fand. – Bis jetzt habe ich Dir regelmäßig alle Wochen zweymal geschrieben. Wenn Du also längere Zeit ohne Nachrichten bist, so ist dieß nicht meine Schuld. Schreibe mir aber ebenso oft, denn noch bin ich Klärchens wegen nicht völlig beruhigt, noch habe ich keinen recht heitern Brief von Dir erhalten. Ich meynte Du würdest Dein Leben weit besser genießen, es muß ja nicht grade im Garten seyn. Immer fürchte ich, Du bist Clärchens wegen noch besorgter als Du scheinen willst. – Wein brauche ich keinen, ich habe bis jetzt noch nicht völlig drey Krüge gebraucht und könnte also eher Dir schicken. Hoffentlich kannst Du Dich damit versehen, es versteht sich, daß Du selbst dafür sorgest. Was Du mir von Paul schreibst macht mir großes Vergnügen. Grüße und küsse den guten Jungen vielmals von mir, es versteht sich auch die andern Kinder. Dem Lehrer sage, daß er ihm doch auch noch die
Infinitiven
Partizipien,
Gerondia und
Supinen
der Verben recht einüben läßt, und täglich im Reuß Übungen vornimmt, daß er in München ja nicht zurückbleibt.

Noch bitte ich mir baldigst zu schreiben, wenn Du Geld nöthig hast und Anstalten deßhalb getroffen werden müßten. – Alle die Plätze, wo wir voriges Jahr zusammen waren besuche ich nach einander und freue mich, dabey an Dich zu denken. Leb’ recht wohl; grüße bestens Mutter und Schwestern. Ich muß schließen, denn das Bad wartet meiner.

Gott Sey mit Dir und unsern lieben Kindern.
Dein
tr˖[euer]

Shg

N.S.

Sey’ doch ganz ruhig wegen des Bads, ich habe heute das 2temal gebadet und befinde mich sehr wohl darauf. Ist denn Cecile zurück?