An Herrn Direktor von Schelling
in
g[an]z frei.
Liebster Bruder
Für deinen theilnehmenden Brief danke ich Dir recht hertzlich, besonders auch im Namen meiner Frau, der derselbe viel Vergnügen gemacht hat. Bis jezt ist es gottlob in jeder Hinsicht gut gegangen. Der Kleine gedeiht sichtbar, schläft oft, nachdem er an meiner Frau getruncken hat, 5-6 Stunden in einem Zuge fort, und äußert übrigens in allen seinen Bewegungen viel Kraft und Lebendigkeit. Meine Frau hat so viele Milch bekommen, daß sie das Kind bis jezt gantz allein mit der Brust sehr gut ernähren konnte, was ich nur aber nicht mehr in die Länge werde zugeben können. Der Kleine ist sehr groß, hat einen nicht nur passabeln, sondern förmlich dicken Kopf, ein rundes Gesichtchen, eine schöne Stirne, eine Nase, welche der meinigen ähnlich sehen soll, wie ich aber hoffe, mit der Zeit sich beßer ausnehmen wird, als die meinige, und eine ziemlich volle Oberlippe, was er auch nicht gekauft hat. Seine Augen sind wenigstens gegenwärtig noch blau, und sind vielleicht dem Klärchen und somit indirekt Dir abgesehen worden. Das gantze Ensemble seines Gesichts nimmt sich gut aus, wenn schon einzelne Parthien deßelben beßer geformt seyn könnten. Dagegen ist sein übriger Körper sehr gut beschaffen, jedermann sagt, er habe die niedlichsten Hände, welche man sehen könne, und meine Frau meint, es seyen Deines Fritzes Händchen, an den Beinen ist er auch sehr gut geformt, alles rund und in gutem Ebenmaaß. Sein Gesicht ist heiter, drückt meistens volle Zufriedenheit aus, seine Gesichstfarbe die eines künftigen Sanguinicus. Auch seine Nerven scheinen gut zu seyn, man hat ihn noch die Augen verdrehen, oder erschrecken gesehen, und auch seine Stimme ist kräftig. Alle Funktionen, um nichts unberührt zu lassen, sind stets in bester Ordnung. Wenn es so fortgeht, so hoffe ich, solle er ein tüchtiger Mensch werden.
Abend ist der Kanzler Schnurrer , nachdem er seit 14 Tagen sehr abgesponnen hatte, schell gestorben. Er hatte einen gantz leichten Tod, und sich wenige Augenblicke zuvor mit seinem Sohne noch sehr lebhaft über literarische Gegenstände unterhalten. Die bewußte Kränckung hat doch vielleicht seinen Tod auch befördert.
Klärchen ist immer wohl und vergnügt, bringt aber seit dem Wochenbette meiner Frau einen großen Theil des Tages in der Akademie zu, wo sie sich eben gar zu gut gefällt, und beßere Unterhaltung
Nun leb recht wohl, empfehl uns Deiner lieben Frau bestens, und
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Karl.
St˖[uttgart] den .
Von meinen SchwiegerEltern 1000 Empfehlungen, auch von Wächter und seiner Frau, und von Frau von Haller, welche eben hier ist, und Dich und Deine liebe Frau bitten läßt, Grindlach nicht zu vergeßen.