Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Liebster Bruder!

Verzeih mir doch, daß ich Dir erst nach so langer Zeit meinen Dank für Deine beide Briefe, in welchen Du mir Deine Abreise von München, und Deine Ankunft in Nürnberg gemeldet hast, nebst meinem hertzlichen Glückwunsche bezeuge! Ich war seit 6 Wochen in einem außerordentlichen Gedränge von Geschäften, und hatte nebenbei mit einem krampfartigen Husten, den ich mir durch wiederhohlte Erkältungen zugezogen habe, und zu dem sich fast täglich ein leichtes Fieber gesellte, zu kämpfen, so, daß wenn ich gantz erschöpft nach Hause kam, ich kaum die nothwendigste Geschäfte für das MedicinalKolleg˖[ium] besorgen, und übrigens mich gantz der höchst nöthigen Ruhe überlaßen mußte. Ich bin nun recht froh darüber, Dich glücklich an Deinem neuen Aufenthaltsort zu wißen, und hoffe auch, daß derselbe Dir und Deiner lieben Frau und Kindern in jeder Hinsicht zuträglich seyn werde. Paul wird sich hoffentlich inzwischen erhohlt haben, und auch Dein Rheumatismus vollends gewichen seyn, wiewohl derlei Übel, wenn ihr auch solche veränderliche schlechte Witterung habt, wie wir hier haben, nur langsam vergehen. Die Hoffnung, welche Du mir gemacht hast, ein Portrait von Dir zu erhalten, hat mich sehr glücklich gemacht! Ich dancke Dir im Voraus recht hertzlich dafür. Das Schönste wäre, wenn Du es selbst hieher brächtest, denn im nächsten wirst Du doch schwerlich Vorlesungen in E[rlange]n halten, da Du doch wohl wieder nach dem Karlsbad gehen wirst.

Von Klärchen kann ich immer nichts als Gutes und Erfreuliches schreiben. Von Tag zu Tag entwickelt sie mehr Anmuth und Liebenswürdigkeit. Sie wächst auffallend, und nicht bloß dem Körper, sondern auch dem Geiste nach. Es ist ein für sein Alter äußerst kluges Kind, und dabei voll Lebendigkeit und Beugsamkeit zum Guten. Sie hat guten Appetit, und schläft gewöhnlich von Abends 8 Uhr bis der Tag erwacht. Sie kommt fast täglich an die Luft, und erträgt auch die schlimmere Witterung recht gut. In Ansehung der Diät wird sie sehr einfach und in Ordnung behandelt, und sie ist auch gar nicht so begehrlich, wie es sonst Kinder von ihrem Alter sind. Sie erwartet mit großer Freude den , ungeachtet sie noch keinen mit deutlichem Bewußtseyn erlebt hat.

Über das Manusc[ri]pt von Süddeutschland scheint man hier auch nicht im Klaren zu seyn. Es wird nicht zugegeben, daß Herr von Trott der V[er]f˖[asser] seye. Die Recens˖[ion] davon in der Allg˖[emeinen] Zeit˖[ung] scheint man hier dem Herrn von Gentz oder dem Fried˖[rich] Schlegel zuzuschreiben. Könntest Du mir den wahren V[er]f˖[asser] nennen, so wäre es mir sehr angenehm.

Schon einigemale wollte ich Dir schreiben, ob Du nicht etwa in einen Brief an mich eine Kondolenz an Schnurrer wegen des Todes seines ältern Sohnes wolltest einfließen laßen, welche ich dann dem Schnurrer ausrichten wollte. Sein Sohn ist schon vor gestorben.

Nun leb recht wohl und gesund mit Deiner lieben Frau und Kindern, und gieb uns bald erfreuliche Nachrichten über euer allseit˖[iges] Wohlbefinden.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

K.