Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwohlgeb˖[ohren]

Herrn geheimen Rath von Schelling

Präsidenten der Akademie der Wissenschaften

in

München.

Ew. Hochwohlgebohren

habe ich die Ehre zu melden, daß ich am von London abseegelen und schon gegen von hier über Paris nach London zurückkehren werde. So sehr ich mich einerseits darauf freue, so thut es mir doch sehr leid auf so lange Zeit mich von den Studien entfernen zu müssen, die ich so lieb gewonnen habe. Ich meine nämlich meine armenischen Historiker vom fünften Jahrhundert aufwärts; hier liegen noch unberührte Schätze für die Cultur- und Religionsgeschichte West- und Mittelasiens. Ich habe jetzt die Geschichte der Religionskriege zwischen den Mogk (d.h. Magier. Das Stammwort bedeutet wissen) und den armenischen Christen von 428-457 in’s deutsche übersetzt, und ich hoffe sie soll bald in London erscheinen. Die persischen Religionsurkunden bey Elisäus (so heißt der Verfasser der von mir übersetzten Geschichte) zeugen bey weitem mehr von einem Prinzipe (Zeruan), als das Vendidat und der Bundehesche, wo dieses Princip sehr in den Hintergrund zurücktritt. Die armenischen Quellen bestättigen ganz die Angabe des Theodorus von Mopsueste, in dem Myriobiblion des Photius. Ich finde auch persische Sekten Zandik genannt, aus denen ich noch nicht recht weiß, was ich machen soll. Mirkond nennt so die Anhänger des Mazdac, – Elisäus und Esnick sind aber vor dieser Zeit. Die persische Religionsgeschichte muß, nach meiner Meinung, in gewisse Epochen eingetheilt werden und hier dürfen der Dabistan und der Desatir nicht übersehen werden. Ich halte Sacy’s Urtheil über den Desatir für sehr oberflächlich; Sacy kennt nicht genug die noch lebenden Reste des Medischen Sprachstammes, Armenisch, Georgisch, Kurdisch u.s.w. und es fehlt ihm auch eine gründliche Kenntniß des Zend und Pehlvi. Der Name Bundehesch z.B. ist rein Armenisch; bunduisch ist einer oder etwas, welches die Natur erklärt oder erläutert. Sonderbar genug heißt auch Chinesisch Bun ### das Fundament oder die Natur.

Die Naturphilosophie des Tschu tse habe ich in’s Reine geschrieben und bin so eben damit beschäftigt die Einleitung dazu zu schreiben, und es würde mir sehr lieb seyn, wenn sie, während ich nach China fahre, in deutschem Gewande erscheinen könnte. Dürfte ich wohl Ew. Hochwohlgebohren bitten mit Cotta deshalb sprechen zu wollen? Und würden Sie vielleicht gar, wenn Cotta darauf eingehen sollte, der chinesischen Naturphilosophie eine Vorrede, oder sonst ein sich darauf bezügliches Wort vorsetzen? Ew. waren bey so mannigfachen Gelegenheiten so gütig gegen mich, daß ich ordentlich Muth habe auf Deren Güte zu sündigen. Es würde mir auch deshalb sehr lieb seyn, wenn Cotta sich bereit finden ließe, weil ich doch dann auf gute Art etwas Geld mehr zur Reise bekäme. Das ganze Werk wird 15-20 Druckbogen ausmachen; ich will ihm anfangs das Manuskript ganz vollständig übersenden und es seiner Großmuth anheimstellen, wieviel er mir zur Reise mitgeben will. Hat wohl die königliche Regierung Ew. Hochwohlgeb˖[ohren] Vorschläge in Betreff meiner annehmbar befunden? Ich bitte gehorsamst mir darüber gefälligst schreiben zu lassen; Sie könnten nur Lichtenthaler mit dem Auftrage, mir es zu melden, die Beschlüsse mittheilen. – Wird wohl die Mythologie Ew. Hochwohlgebohren bald erscheinen und werde ich so glücklich seyn noch einige Bände vor meiner Abreise zu lesen? Prof. Bopp und Prof. Hegel trugen mir auf Ew. vielmal zu grüßen. Das wissenschaftliche Leben hiesigen Landes gefällt mir ausnehmend; besonders häufig bin ich bey Wilken, der gesund und fleißig ist, jetzt mehr denn jemals. Der 4te Band der Kreuzzüge erscheint dieser Tage und jetzt hat er schon den Druk der Geschichte der Gasnaviden aus Mirkond begonnen. Bey Humbold bin ich ein für allemal auf jeden Mittag eingeladen; er wohnt aber in Tegel. Doch war ich schon zwey mal bey ihm. Er läßt vielmal grüßen; ich fand ihn heiter und wohlauf

Eine sehr werthe Bekanntschaft ist mir Neander; dieser treffliche Mann kennt die Geschichte der christlichen Sekten, wie Wenige unter den Lebenden. Mich intereßirt vorzüglich die orientalische Kirchgeschichte, die in so innigem Zusammenhange steht mit dem Zoroastercultus, dem Buddhaismus und der ganzen Culturgeschichte Asiens. bin ich bey Tische mit ihm zusammen und ich freue mich schon im Voraus auf das Gespräch.

Indem ich bitte mich Herrn Hofrath und Rektor Thiersch gelegentlich zu empfehlen, habe ich die Ehre zu unterzeichnen
Ew. Hochwohlgebohren
Ergebenster und Gehorsamster

Neumann Prof.
Hotel de Saxe.