Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Ew. Hochwohlgebohren

bin ich sehr verbunden, wegen der mir gütigst versprochenen Vorrede zum Tschu tse. Es werden in einer ausführlichen Einleitung alle Punkte nach den Quellen ausführlich behandelt werden, worüber Sie Aufschlüssse verlangt haben. Tschu hi oder Tschu tse ward geboren und starb n. Ch. Geburt; vom Aristoteles hat der Mann sicherlich Nichts erfahren; denn von den Categorien und streng logischen Behandlung, die untrüglichen Spuren eines griechischen Einflusses, wird man bey dem Fürsten chinesischer Wissenschaft vergebens eine Andeutung suchen. Ich vermuthe daß die indische Spekulation, vermittelst des Buddhaismus, von großem Einflusse gewesen ist auf die systematische Ausbildung der chinesischen Metaphysik; das Princip liegt zwar schon in den ältesten Monumenten der Nation, in den King’s. Ich habe diese Ansicht schon vor 5 Monaten in einem Aufsatz in Hermes entwickelt. Mein Manuscript ist rein abgeschrieben und liegt zum Drucke bereit; ich habe schon vor 4 Wochen an Cotta deshalb geschrieben, warte aber noch auf Antwort. Wollten Sie wohl nicht die Güte haben, ihn gelegentlich daran zu erinnern? ich bleibe nur noch 5 Wochen in Deutschland und kann deshalb unmöglich lange warten. Die hiesige Academie hat mich zum Correspondenten ernannt und das Ministerium mir vor der Hand 1500 Th. zum Ankauf von Büchern angewiesen; eine meinen Wünschen entsprechende Stelle wird mir hiesigen Ortes nicht entgehen. – Humboldt (Alex.) wird heute Abend hier erwartet; er sprach den Kaiser einmal nach seiner Krankheit 2 volle Stunden und erhielt einen prachtvollen Zobelpelz und eine porphyrene Vase zum Präsent. W. Humboldt lebt den ganzen Winter ganz allein in Tegel; er schickte mir neulich seinen Wagen und ich verbrachte einen glücklichen Tag in seiner, auch im Winter reitzenden Einsiedeley. Wir gingen eine Abhandlung durch, welche er neulich in der Academie gelesen hat; es ist der Anfang seines großen Sprachwerkes und wird nächstens gedruckt erscheinen. H˖[umboldt] weist trefflich nach, wie die Pronomina aus den Ortsadverbien entstanden sind; in einer folgenden Abhandlung wird die Ähnlichkeit der Madagascar-Sprache, mit dem Malaiischen und den Polynesischen Sprachen nachgewiesen werden, – eine äußerst merkwürdige, den vorhistorischen Zusammenhang dieser Völker beurkundende Wahrnehmung. Wir sprachen viel von Ihnen und er freute sich sehr über die ihn betreffenden Zeilen in Ihrem Briefe. Er wird bald seinen Briefwechsel mit Schiller herausgeben.

Ich nehme meine Geschichte der Religionskriege zwischen Armenien und Persien ganz fertig mit nach England und sie wird daselbst unter dem Titel: History of the religious wars between the Persians and the Armeniens gedruckt werden. Dieses Werk soll während meiner Abwesenheit in London erscheinen, so soll Tschu tse in jedem Falle in Deutschland herauskommen. Ich habe mir hier eine Menge Recensionen für die wissenschaftliche Kritik aufbürden lassen. Der erste Artikel über Shanang von Schmidt, der vom Buddhaismus handelt, wird Sie vielleicht interessiren. Ich habe daselbst mehre Auszüge aus chinesischen Schriften mitgetheilt.

Es handelt sich hier jetzt um die Aufnahme Hegels bey der Academie; man zweifelt daran daß sie durchgehen wird, er hat zu viele Gegner. Wilken ist Sekretär der historisch-philologischen Classe geworden, – und er verdient es wahrlich, sowohl wegen seines mannigfachen, gründlichen Wissens, als auch wegen seines großen Fleißes. Von dem folgenden Bd der Kreuzzüge sind schon 11 Bogen gedruckt und zeigte er mir schon den ersten Bogen des persischen Textes von Mirchond, welcher mit der Geschichte der Gaznaviden beginnt. W˖[ilken] wird diesen ganzen Theil abdrucken lassen und eine lateinische Uebersetzung hinzufügen.

Indem ich Sie bitte mich Ihrer Frau Gemahlin gehorsamst zu empfehlen, bin ich so kühn mir zu schmeicheln daß ich noch vor meiner Abreise von hier mit einigen Zeilen von Ihrer Hand erfreut werde. Ich gedenke zwischen dem und von hier abzugehen.
Ich habe die Ehre zu unterzeichnen
Ew Hochwohlgeb˖[ohren]
ganz Ergebenster

Neumann Prof. Hôtel de Saxe