Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Mich selbst nach Schleedorf zu bringen, das wird mir, wie ich fürchte, kaum möglich werden. Meine Frau, welche im ihre Niederkunft erwartet, fühlt sich, seit einigen Tagen, zwar nicht unwohl, aber doch unbehaglich; jede Anstrengung wirkt bedeutend auf sie und so scheint uns dieser Ausflug etwas zu gewagt, obgleich es schmerzhaft ist, den schönen Plan ohne Ausführung lassen zu müssen. – Vielleicht versuchen wir eine Fahrt nach dem Stahrenberger See und verweilen da einige oder mehrere Tage, das wird aber auch Alles seyn. Und allein mag ich meine arme Frau jezt nicht lassen, um so weniger, da die klimatischen Mißverhältnisse und das Ungesellige der Eingebohrenen nicht günstig auf ihre Stimmung einwirken. – – So werde ich denn des Genusses, auf den ich so lange schon mich innnig gefreut: Sie recht bald persönlich zu begrüssen, noch länger entbehren müssen. Vergönnen Sie mir darum immer, Ihre ländliche Abgeschiedenheit durch einige Zeilen nach der geräuschvollen Stadt (worinn ich übrigens sehr geräuschlos lebe) unterbrechen und diese Unterbrechungen von Zeit zu Zeit wiederholen zu dürfen.

Was Sie mir über Göthe zu sagen so gefällig waren, hat mich tief bekümmert, um so mehr, da ich auch drei Briefe ohne Antwort bin und auch sonst keine Kunde erhielt. Oeffentlichen Nachrichten zu Folge sollte er nach Baaden-Baaden haben reisen wollen; ob das wirklich geschehen seyn mag? – Wäre ich anmassender, als ich zu seyn mir schmeichle, so würde ich sagen: Ihr Urtheil über seine neueste kleine Schrift ist mir wie aus dem Innersten genommen. – Ich weiß nicht, ob Ihnen die mannigfachen, mitunter bitter würkende Urtheile zu Ohren gekommen, welche man sich über das Werke gar erlaubt. Man spricht sogar von einer Parodie, welche Frau von Savigny (geb˖[orene] Brentano) unter der Feder, oder vielleicht schon unter der Presse habe. Ich vermag übrigens nicht zu sagen, wie es damit gemeint ist, möglich, daß mein Unwille mich nur zur Hälfte hören, oder unrichtig verstehen ließ.

In Berlin hat Göthe, wie mich ganz neue Briefe von daher belehren, mächtig angeregt – Schuckman soll zum Kunstkenner, oder mindestens zum Kunstbeschüzzer geworden seyn. So viel ist gewiß, daß Schinkel sich in Heidelberg befindet, nur wegen Ankauf der Sammlung von Boisserées zu unterhandeln. Der König bestimmte sie, wie ich höre, für das Museum in Berlin.

Meine Abhandlung habe ich in der Akademie vorgelesen und die hat, wie ich glaube, nicht ganz mißfallen. Daß sie aber nun ohne Ihre Prüfung, ohne Ihr Urtheil hinaus in die grosse Welt soll, behagt mir keineswegs. – Beim Verfassen war es mir stets ein Trost, wenn ich Sie, als höchste Instanz im Geiste erblikte. Wie soll nun das werden? – Ich habe zwar allerdings mit manchen unserer achtbaren Kollegen Rath gepflogen, so mit Sömmerring über das Petrefaktelogische, mit Vogel über das Chemische u.s.w. und mich viel guten Rathes über solche Einzelnheiten zu erfreuen gehabt, allein das Ganze, da wußte ich mir keinen bewährtern Richter als Sie. – Und nun ruht Gefahr auf dem Verzuge. soll mit dem Sezzen der Anfang gemacht werden und das scheint mir auch in der That nothwendig, da die Abhandlung längst 8-10 Bogen stark werden dürfte und Herrn G˖[eheim]R˖[ath] von Ringels Wunsche gemäß vor dem gedruckt seyn soll. – – Hätte ich gewußt, daß es so kommen würde, ich hätte die Vorlesung bis zum aufgeschoben. Und wollte ich es auch wagen Ihnen das M[anu]s[cri]pt zu senden, allenfalls durch einen Eilboten, so wäre das einmal eine Sünde gegen Ihre Zeit, die ich mir nicht vergeben könnte und sodann ist das Geschriebene zum Selbstlesen für einen Dritten bei meistem zu unlesbar (obgleich es jezt im Sekretariat niedergelegt ist, um, wie ich fürchte, nicht gelesen zu werden). – – –

Um von diesem zu egoistischen Gegenstande abzukommen, wende ich mich zunächst zu den neulichen Debatten, die Aenderung in dem Konstitutionellen der Akademie bet[reffend]. Vom Präsidenten und Senate war vorläufig noch keine Rede (obgleich, wie auch mir bekannt, Alles dieses im Hintergrunde liegt), sondern nur von einem berathenden Ausschusse über mögliche und anwendbare Verbesserungen. Darüber ist an die höchste Stelle Bericht erstattet worden, ohne daß bis jezt Entscheidung eingekommen wäre, wenigstens so viel mir laut geworden.

Es ist erfreulich zu sehen wie jezt bei wiedergekehrter erträglicherer Zeit (noch sieht es in vielen Staaten im Besondern und selbst im Ganzen des lieben Deutschen Landes nicht geregelt und klar genug aus, um ein anderes Beiwort gebrauchen zu dürfen), die Gelehrten nach allen Seiten sich bewegen. Seit sind Raumer und Hagen aus Breslau, auf der Reise nach Italien begriffen, bei uns. Vom ersteren hatte ich das Vergnügen Ihnen einen Brief zu senden. Er beabsichtigt, wie ich höre, Nachforschungen in Betreff der Geschichte der Hohenstauffen und Hagen jagt, wie natürlich, den Niebelungen nach. Ebenso ist jezt Niebuhr hier, der gleichfalls nach Italien sich begiebt. – –

Über die neue Universität in Rhein-Preussen scheint, selbst was das Ortliche betrifft, noch immer nichts entschieden. Man sagt Schuckman werde sich selbst dahin begeben, um zwischen Kölln und Bonn zu bestimmen.

Doch es ist Zeit, daß ich schließe, mein Plaudern möchte Ihnen Langeweile bringen.

Unter den herzlichsten Empfehlungen von Haus zu Haus und mit reinster Verehrung
Ihr ganz ergebenster

Leonhard.

Ich habe, um eine Frage Ihres gütigen Briefes nicht unbeantwortet zu lassen, vor dem neuesten (ich glaube Josephs-)Thore, beim Proviantbäcker Zänger gemiethet, eine ganze Etage im 1. Stock und zahle – – 700 fl. – –