Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Ihr Brief vom mein theurer und verehrter Freund, war mir ein erfreuliches Bürge ihrer Genesung, von deren erwünschten Fortschritten mich zuerst die freundschaftliche Theilnahme der treflichen Frau von Köhler unterrichtet hatte, so wie sie auch die erste war, durch die ich Nachricht von ihrer Krankheit erhielt. Möge sich ihr Wohlseyn nun wieder recht dauernd befestigen: dieß ist gewiß mein innigster Wunsch, welchen ich nicht allein mit ihren Freunden sondern mit einer Welt theile, die von Ihnen noch so groses erwartet und der Sie in Vollendung des groß begonnenen heilige Worte zu lösen haben. Nein! mein Freund, ich will nicht sterben, ehe ich ihre Weltalter gelesen habe, wenn es gleich auch ein erhebender Gedanke ist, in jener nicht alternden Welt, wo Aeonen Tage sind, den ewigen Geist, der alle Welten durchdringt und bewegt, näher als hienieden erkennen zu dürfen! – Dankbar empfange ich die herzliche Zusprache, mit der Sie meinen Muth, so wie die Rathschläge durch deren Anwendung Sie meine physischen Kräfte zu beleben suchen. Noch steht der erste fest in der Überzeugung, daß selbst von groser Entkräftung immer ein gewaltiger Schritt zu jenem gänzlichen Zerreißen der unerforschten Verbindung zwischen Seele und Körper übrig bleibt; aber, verhehlen läßt sichs nicht, ich fühle meine Kräfte tief gesunken! Kaum vermag ich die Feder zu halten, die diesen Zeilen meine Namenszüge beisezen soll und so eigensinnig ist der launenhafte Gang meiner Krankheit, daß was sich in ähnlichen Lagen andern heilsam erwiesen, bei mir nur mit Behutsamkeit anzuwenden ist, oder in seiner Wirkung durch die Complication des Übels aufgehalten wird. Ein langwieriger Katarrhe, von welchem ich im befallen war, zog im einen Bluthusten mit Fieber nach sich, dem eine entzündliche Affection der Schleimhaut des Kehlkopfs folgte. Dieses örtliche Leiden dauerte biß in den und nur durch eine äußerst strenge Diät in Verbindung mit Blutentleerungen und den geeigneten Arzneimitteln war es endlich gelungen, daßelbe zu bezwingen. Allein die Thätigkeit der Verdauungswerkzeuge, besonders des Magens, hatte dabei so außerordentlich gelitten, daß der leztere seine Dienste nun gleichsam versagen will und eine vollkommene Abneigung gegen alle Nahrungsmittel eingetreten ist, die eine unbeschreibliche Schwäche zur Folge hat. Die Ärzte hoffen indeß diesen Zustand zu heben und erwarten mit der herannahenden wärmeren Jahrszeit deßen dauerhafte Besserung. –

So, mein Freund, liege ich nun dem Ausgange ruhig entgegenharrend hier. Ich blike mit heitrer Zuversicht in die Zukunft und das einzige unangenehme Gefühl, welches mich jezt belästigt, ist das der Abhängigkeit, worin der Geist, deßen freier Gedanken Welten umfaßen und zum Göttlichen aufstreben darf, von ein paar kranken Organen des thierischen Lebens gehalten wird! – Nur die Regungen des Herzens schlagen auch in diesem Zustande um so inniger fort und in der Fülle derselben empfangen denn auch Sie, mein ferner und geliebter Freund, mit ihrer Gattinn und allen den Ihrigen, meinen segnenden Gruß! Will es Gott, wie ich hoffe, so sehen wir uns baldmöglichst in freundlichen Umgebungen und milder Luft, woran ich nur mit sehnendem Entzüken denke, wieder; Wo nicht, so bleibt dieß Wiedersehen jenen Regionen aufbehalten, wohin ich zu reisen – nicht wie ein zeitlebens Reisefertiger, was sich ohnehin versteht, sondern wie einer, der einigemale schon dem Rufen des ankerlichtenden Steuermanns entgegenlauschte – gerüstet bin und wo ich vielleicht mit Augen sehe, was mein Freund Schelling in seinem Forschergeiste gedacht hat! –

Ewig mit unveränderlicher Ergebenheit
Ihr Freund

Klein m[anu] p[ropria]

P.S.

Sie sehen aus der Abfassung des Briefes, daß ich mich wegen großer Schwäche der Hand und des Geistes eines Freundes bedienen mußte, der im ganzen meine Gesinnungen ausdrükt, wovon aber die Form dem Concipienten angehört. Ich hoffe, mit Gottes Beistand bald mit eigener Hand Ihnen schreiben zu können. Herzliche Grüße an Ihre geliebte Paulina und an die treffliche Freundin Frau von Köhler. Gott mit Ihnen allen, wie mit Ihrem unveränderlichen Freunde
Klein