Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Daß ich Ihnen doch ausdrücken könnte, bester Schelling, wie mich das liebe schöne Blatt von Ihrer Hand erfreut hat! Ein so lebhaftes Gefühl ergriff mein Inneres, endlich wieder von dem fernen Freund zu hören, daß ich es fast körperlich empfand, und nun danke ich Ihnen von Grund der Seele für die lieben Worte. Also haben Sie einen Brief von mir erwartet? Nun ist es mir doppelt lieb daß ich mich nicht abhalten ließ Ihnen das letzte mal zu schreiben, wir sollten doch nie »dem stillen Wink des Herzens nach zu gehn verlernen«, ich entsinne mich noch wohl, daß ich den Tag ein so unwiderstehliges Verlangen fühlte Ihnen einige Worte zu senden, daß die Bitten meiner Mutter und Schwestern die mit mir spazieren gehn wollten, mich nicht vom Schreibtisch abzuziehn vermogten, ohne daß ich ihnen etwas anders zu meiner Entschuldigung anzugeben wußte, als eben diesen lebhaften Wunsch wieder Nachricht von Ihnen zu erhalten. Nun bin ich schon seit geraumer Zeit wieder in den freundlichen Umgebungen des reizenden Saalthals; ich bin hier empfangen worden, wie man nur nach einer langen Abwesenheit im elterlichen Hause begrüßt wird, von allen Seiten kamen Freunde und Bekannte und selbst die Kinder im Ort schienen mich noch zu kennen. So etwas feßelt und ich fühlte mich in den ersten Stunden wieder einheimisch. Das Thal hat seinen besten Schmuck dieses Jahr angelegt, es ist unaussprechlich schön hier, alles in der üppigsten Vegetation, und ich bin, dank sey’s den Himmel, muntren Sinns und frohes Herzens genug, um die Herrlichkeit die mich umgiebt mit vollen Zügen zu genießen. Der frühste Morgen findet mich schon auf den Fluren und ich lebe und webe nur in Freyn, auch jetzt wo ich mit dem lieben Freund rede, umgiebt mich eine Wiese, die von tausend Blumen so voll steht, rechts liegt die alte Burg, links ziehn sich die Gründe nach Cahle zu und vor mir sehe ich die Berge jenseits der Saale, von der Morgensonne beleuchtet.

Daß Sie, lieber Schelling, in dieser Gegend einheimisch waren daß Caroline, Auguste es waren, ich kann Ihnen nicht sagen wie mir das lieb ist, wie mir das die Gegend erst recht lieb macht, wie sie mir gleichsam geheiligt dadurch erscheint. Vor wenig Tagen habe ich das freundliche Plätzchen hinter Burgau, aufgesucht, deßen Sie gedenken, es soll künftig auch mein Lieblingsort werden. 3 Kränze habe ich dort gewunden, 2 entführte die Saale bald aus meinen Blicken, der dritte hängt zu Ihrem Andenken in meinem Zimmer; aber es bedarf dieser Erinnerung nicht – in der stillsten Einsamkeit wie im lautesten Vergnügen fliegt oft mein Geist zu Ihnen bester Schelling! und der liebste Wunsch bleibt immer – Sie nur einmal wieder zu sehn. Viele frohe Stunden stehn mir diesen bevor, auf mancherley Weise darf ich mir Freude versprechen, Goethe hat uns unvermuthet in Jena überrascht, er wird den Rest des Sommers dort zubringen und versprach uns bald und recht ordentlich zu besuchen. Auch in dieser Hinsicht darf ich auf viel Schönes und Angenehmes rechnen, und doch, lieber Schelling, auf Alles dies, wie gern leistete ich darauf verzicht, wenn ich das herzliche Verlangen befriedigen könnte den theuren Freund wieder zu sehn. Daß ich selbst nach München kommen sollte, ist beynah undenkbar, ich sehe nicht ein, wie es ausführbar wäre, und meine Freude wäre auch nur halb wenn meine Mutter und Schwestern, die es gewiß nicht minder lebhaft wünschen als ich, nicht Theil daran nähmen. Können und wollen Sie nicht die große Reise nach Gotha machen, so bliebe vielleicht der Ausweg einer Zusammenkunft am dritten Ort übrig, wir würden Ihnen mit Freuden einen Theil des Weges entgegen kommen, um so mit Ihnen vereint Carolinens Andenken zu feyern. Es darf nicht bloß ein eitler Wunsch bleiben, daß er für den Augenblick nicht ausführbar ist, wo Sie so beschäftigt sind, ist leicht ein zu sehn, und wenn auch nicht diesen , der bey dem schnellen Wachsthum gewiß nicht auf sich warten läßt, so blieb uns doch vielleicht die Hoffnung auf künftigen . Uberlegen Sie sich’s.

Goethe ist auch wieder recht fleißig gewesen, der erste Theil von W˖[ilhelm] Meisters Wanderjahren liegt bereits zum Druck fertig und wird wohl zu erscheinen. Haben Sie Hackert schon zu Gesicht bekommen? ich möchte gar gern etwas von Ihnen darüber hören. Was über Kunst in Allgemeinen darinn ausgesprochen wird, hat mich am meisten interessirt, die Erzählung der Lebensbegebenheiten selbst, sind nach meinen Gefühl nicht so befriedigend, wenn man sie mit anderm vergleicht, so stehe sie doch z.B. den Benvenuto, an Originalität, des Ausdrucks und der Wendungen so wohl, als der Ereigniße und Handlungsweise sehr nach.

Leben Sie wohl, edler Freund! die Mutter und Schwestern grüßen herzlich, und ich gedenke Ihrer auf Höhen und in Tiefen. Lassen Sie uns nicht so lange wieder auf ein Wort von Ihnen hoffen

Pauline.

Gries hat mir neulich viele Empfehlung an Sie aufgetragen, und fragt an, ob Sie seinen Tasso erhalten haben? –