Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

OberMedicinalRath

Dr. Schelling

in

Stuttgardt.

frey bis hin.

Was wirst von mir gedacht haben, liebster Bruder, daß ich in so langer Zeit Dir nicht geschrieben, Deine Briefe nicht erwiedert habe? Du kannst indeß gewiß seyn, daß, hätte ich nur die Zeit dazu gehabt, es an meiner Neigung zu schreiben nicht gefehlt hätte. Indeß will ich nicht nach Carlsbad, wohin ich dieses Jahr allein gehe, abreisen, ohne Dich wenigstens noch begrüßt zu haben. Ich befinde mich, Gott sey Dank! seit ich hier bin und besonders seit dem letzten Jahr sehr viel besser, als seit vielleicht , da ich indeß diese Besserung meines Zustandes, nächst Gott, vorzüglich Carlsbad verdanke, so wollte ich auch dieses Jahr nicht unterlassen, mir dort eine neue Unterstützung für meine Gesundheit zu sichern. Doch hoffe ich zurück zu seyn. Auch jetzt kann ich nur flüchtig und nur wenige Zeilen schreiben, vorzüglich um Dir und der lieben Tante für alle uns und meinen Kindern auch in diesem Jahr wieder erzeigten Wohlthaten aufs Innigste zu danken, und besonders auch die Nachricht zu geben, daß Clärchen nun seit einem Jahr unausgesetzt wohl und ohne allen Anstoß sich befunden hat, daß sie stärker und größer geworden, und daß auch ihre geistigen Fähigkeiten sich immer mehr entwickelt haben; unter andern ist sie unter ihren Schwestern diejenige, die am schnellsten und besten französisch gelernt hat, was sie schon ganz ordentlich spricht. Friz wird in diesen Tagen bey Dir zum L˖[andes]Examen gewesen seyn. Ich habe ihn dieses hauptsächlich besuchen lassen um ihm einen Sporn zu geben; Planck schrieb mir nachher, daß die Stadt Nürtingen ihm das Bürgerrecht angeboten habe und daß es keine Mühe kosten würde auch das Staats-Bürgerrecht für ihn zu erlangen. Wenn übrigens Friz aufgenommen werden sollte, so ist es mir mehr um seinetwillen erfreulich; er schien in dem Gedanken sehr glücklich zu seyn; nur kürzlich scheint es ihm doch auf’s Herz gefallen, daß er dadurch von seinem eigentlichen Vaterland getrennt werde; dieß ist aber nicht der Fall und die Wahrheit zu sagen wäre ich dessen selbst nicht froh, und ist es mir am Ende einerley, ob er als Alumnus oder als Seminarist nach Blaubeyren kommt. Wie weit die Sache gediehen, weiß ich inzwischen nicht. – Wenn Du Bruder August siehst, sag’ ihm herzliche Grüße und Dank für die Einladung von Friz, zugleich daß ich für seinen Empfolnen so viel möglich gethan, leider jedoch ohne den gewünschten Erfolg, zudem er auch selbst etwas mehr hätte beytragen können. Ich muß schließen.

Empfiel uns aufs Beste Deiner lieben Frau und allen verehrten Verwandten und leb recht wohl.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

Fr.

N.S.

Ein sehr braver Mann, der hiesige Hof-Bibliothek-Director Lichtenthaler wird Dir vielleicht eine gut abgefaßte Geschichte seiner Augenkrankheit zuschicken, oder durch meine Frau zukommen lassen. Wolltest Du in beyden Fällen ihm rathen? Er scheint bis jetzt schlecht behandelt worden zu ### schicke Deine etwaige Antwort nur an mich.