Herrn
MedicinalRath Dr. Schelling
in
g[an]z frey.
Liebster Bruder!
Es war zum Theil absichtlich, daß ich Dir dießmal so lange nicht geschrieben; wozu sollte es dienen, immer dasselbe zu wiederholen? In den letzten 4 Wochen hat sich indeß der Zustand meiner Frau allmälig in’s bessere gewendet, inwiefern die Kräfte und der Appetit bey’m Gebrauch des Marienbader Creuzbrunnens sich bedeutend gehoben und der angeschwollne Leib wenigstens in seinen Dimensionen wenn auch nicht in der absoluten Ausdehnung sich etwas verändert hat, worauf wir die Hoffnung gründen, daß bey längerem Gebrauch eine Krisis des, wie es nun scheint, wenigstens nicht bloß mechanischen sondern zum Theil auch dynamischen Übels erfolgen könne. Das Beste ist, daß nun schon die bessere Jahreszeit gewonnen und erreicht ist. Wahrscheinlich wird es nicht zu ändern seyn, daß sie irgend ein Bad besucht; wir sind noch zwischen Marien- und Carlsbad zweifelhaft. Mit meiner Gesundheit geht es gut und ich glaube daß ich dieses Jahr für mich keine Badecur nöthig haben werde. Auch die Kinder sind alle wohl; das kleinste hat bis jetzt auch nicht den geringsten Anstoß gehabt und wird täglich angenehmer, gescheidter und liebenswürdiger. Deine liebe Frau grüße auf’s herzlichste von uns und danke ihr für die abermalige Sendung, für welche meine Frau selbst danken würde, wenn ihr das Schreiben nicht so sehr beschwerlich fiele. Wir wissen in der That nicht wie wir so viele Liebe und Güte mit Worten, geschweige mit Werken verdanken sollen.
In den letzten Wochen wurde unsre gewöhnliche hiesige Stille unterbrochen durch Unruhe zwischen Bürgerschaft und Studierenden, bey denen zuletzt niemand mehr Herr, und diese genöthigt waren auszuwandern. Seit einigen Tagen sind sie aber wieder zurück; es ist alles in Ordnung und hoffentlich wird sich, den getroffenen Einrichtungen zufolge, nichts ähnliches wieder ereignen können.
Leb’ recht wohl; meine Zeit ist so bewegt, daß ich für dießmal schließe.
Grüße herzlich unser liebes Clärchen und alle theure Freunde und Verwandte.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.