Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

MedicinalRath Dr. Schelling

in

Stuttgardt

frey

Liebster Karl!

Ich hätte Dir schon längst schreiben sollen. Früher beschäftigten mich meine Vorlesungen zu sehr, die ich ohne specielle Vorbereitung zu diesem Zweck, ohne Heft, völlig frey, oft zum Theil extemporirt halten mußte. Diese Anstrengung im machte, daß ich im wieder anfing zu kränkeln, und nur mit Unterbrechungen fortfahren konnte; doch habe ich die Vorlesungen glücklich zu Ende gebracht, wurde aber auch nach deren Beendigung theils durch fortgesezte Arbeit, theils durch die vielen Partien, zu denen mich meine Gesundheit und der wunderherrliche in der schönen Gegend verlockte, immer abgehalten. Nun habe ich mich entschlossen, dieses Jahr früher nach Carlsbad zu gehen, will aber nicht abreisen ohne Dir vorher zu schreiben. Zunächst bitte ich Dich, wegen meiner Gesundheit unbesorgt zu seyn, welche jener ungünstigen Umstände ohnerachtet sich stufenweise wieder gebessert und im Ganzen befestiget hat, auch unter den wohlthätigen Einflüssen des hiesigen Climas und der angenehmen Natur sich, wie ich hoffe, immer mehr befestigen wird. Dankbar erinnern wir uns in dieser Zeit der vielen Liebe und Güte, die wir bey Dir und den Deinigen genossen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, Dich und Deine liebe Frau in diesem noch bey uns zu sehen. Die guten Nachrichten von Clärchen sind Freude für uns alle, und besonders Balsam für das Herz der Mutter. Wenn die Beschreibungen, welche uns von ihr gemacht werden, nicht übertrieben sind, so muß sie nach allen Dimensionen bedeutend zugenommen haben. Gott erhalte das gute Kind, und gebe, daß es Dir und Deiner lieben Frau die viele Sorgfalt, die ihr auf sie wendet, durch ferneres Gedeihn und erfreuliche Entwicklung lohne. Ich berge nicht, daß ich nicht weniger als meine Frau mich sehr sehne, das Kind wenigstens einmal wieder zu sehen. – Unsre hiesigen Kinder gedeih’n auch trefflich, für diese ist der Aufenthalt in einer kleineren Stadt und besserer Natur von der besten Wirkung. – Wir wünschen von Herzen, daß von dem Übel, das Dich wieder heimgesucht, keine weiteren Nachwehen kommen, und daß Du, nebst Deiner lieben Frau, welcher, wie allen Verehrten und theuren Verwandten, wir uns bestens empfehlen, diesen ohne allen Anstoß recht vergnüglich verleben mögest.

Mit herzlicher Liebe
Dein tr˖[euer] Br˖[uder]

Fr.