Herrn
MedicinalRath Dr. Schelling
in
frey.
München .
Verzeih’, liebster Bruder, daß ich Deine beyden Briefe erst heute beantworte. Auch meiner warteten nach der langen Abwesenheit mancherley Geschäfte, viele Besuche, die ich erhielt und die ich zu machen hatte. Wir danken Dir herzlich für Deine ausführlichen und wiederholten Nachrichten über Deine Rückreise und über Clärchens Befinden. Sey’ aber nur überzeugt, daß wir wegen dieses Kindes völlig beruhigt, ja in diesem Augenblicke beruhigter sind, als vielleicht der Fall wäre, wenn es sich bey uns befände. Denn auch bey Friz, besonders aber Paul zeigen sich sehr starke Anfänge zum Krampfhusten und dieses Übel ist hier um vieles hartnäckiger, als in Wirtemberg, da die Kinder oft 5–6 Monate damit zu thun haben. Auch ist dieser böse Husten hier jetzt epidemisch. Wir bedauren nur, daß Clärchen, anstatt Dir und Deiner lieben Frau Vergnügen zu machen, gleich anfangs so viele Sorge veranlaßt. Möge es nur Euch nicht bald so zur Last werden, daß Ihr es uns gern zurückgäbet! Meine Frau hat sich jetzt völlig darein gefunden und ist sogar von Herzen vergnügt, daß das Kind bey Euch ist. Es sogleich wieder zurückzuverlangen, wäre ein unverzeihliches Unrecht; wir werden es gewiß unter Jahr und Tag nicht zurücknehmen, es wäre denn, daß Ihr selbst Ursache fändet, es uns zurückzugeben. Ich verlasse mich aber auf die natürliche Anmuth und Freundlichkeit des Kindes, daß es troz aller Beschwerden, die es verursacht, das Herz der Tante und des Onkels immer wieder gewinnt, und sobald wenigstens nicht zurükgeschickt werden wird.
Neues in Bezug auf uns weiß ich Dir für den Augenblick nichts zu schreiben. Mit meiner Gesundheit läßt es sich gut an, besonders da ich Gelegenheit gefunden, am frühen Morgen bisweilen zu reiten. Indeß leiden wir schon ziemlich von der kalten Witterung, die bey uns noch 12 Stunden vor der großen Sonnenfinsterniß eingetreten ist, welche wir, des großentheils bedeckten Himmels ohnerachtet, in ihren Hauptmomenten, von unsern Fenstern aus, groß und klein, recht gut beobachten konnten. Für Paul, der seitdem fleißig die lateinische Schule wieder besucht, heute aber Ferien erhalten hat, war dieß ein großes Fest. Grossi hat mir indeß wieder angekündigt, was ich von andern auch hören mußte, daß ich in einem so rauhen Clima vor neuen Anfällen nicht sicher sey. Es wird sich aber alles wohl machen, und ich bitte Dich, wegen meiner Zukunft unbesorgt zu seyn. – Noch gedenken wir, wenn die Witterung etwas milder werden sollte, für etwa 8 Tage auf’s Land (nach Schlehdorf) zu gehen.
Wenn es mir möglich ist, werde ich, da Du es wünschest, noch ein Briefchen an Georgii schreiben und beylegen. Indeß empfiel uns bestens allen theuren Gönnern und Freunden, besonders in der Akademie. Wir sind nicht im Stande, unsern Dank für so viele Güte, die wir in Stuttgart gefunden, auszusprechen. Auch Dir nochmals unsern herzlichsten Dank, daß Du und Deine liebe Frau uns die Freude des Wiedersehens in Nürnberg bereiten wolltet.
Lebt recht wohl, aufs herzlichste gegrüßt von uns und allen Kindern, die in ihrer lebhaften Erinnerung an die guten Kirschen etc., die sie bey der Tante erhielten, jetzt oft die
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr