Liebster Karl!
Es hat mich ungemein erfreut, nach so langer Zeit wieder einen Brief von Dir zu erhalten, obwohl ich eigentlich nicht weiß, wer von uns beyden dem anderen Antwort schuldig war. Ich hätte Dir auch schon früher wieder geschrieben, wenn ich nicht so eben erst von einer kleinen Krankheit genäse, einem rheumatisch-gastrischen Fieber, mit dem wieder eine Halsentzündung verknüpft war. Dieses Übel hat mich an die 3 Wochen Zeit gekostet, doch bin ich leidlich, ohne sonderliche Nachwehen davon gekommen. Äußerst betrübt sind für uns die Nachrichten von dem Befinden unseres guten Schwagers; wir hoffen immer noch das Bessere, so ungünstig die Witterung, besonders für solche Zustände, ist.
Du siehest es diesem Brief wohl an, daß er schon bald angefangen worden. Einmal daran gestört, konnte ich nicht wieder dazu kommen, ihn zu vollenden. Ich hatte nämlich eine Arbeit auf dem Gewissen, die ich übernommen hatte, nämlich einen Bericht des Malers Wagner über die unsrem Kronprinzen gehörigen äginetischen Kunstwerke zu redigiren und für den Druck zuzubereiten, welches ohne Zusätze und Anmerkungen von meiner Hand nicht wohl abgehen konnte. Da hab’ ich denn gleich nach der Krankheit mich drüber gemacht und nach meiner Gewohnheit unabgesetzt und in Einem Feuer dran fortgearbeitet, daß ich mit fertig war. Diese Kunstwerke sind von der höchsten Merkwürdigkeit, ja, wenn man darauf und nicht auf künstlerische Vollendung sieht, bey weitem merkwürdiger, als die jetzt nach London gekommnen sogenannten Elgin’schen. Ich habe ihnen darum auch einen besondern Fleiß gewidmet, und glaube etwas geleistet zu haben, das meines Namens Gedächtniß auch in der Kunst-Geschichte erhalten soll. Ich hoffe, Cotta wird den Druck gehörig beschleunigen, das M[anu]sc[rip]t˖ ist schon abgegangen; kannst Du ihm noch calcar addere, so versäum’ es nicht.
So wenig man auch auf Zeitungs-Lobsprüche geben mag, so sprechen doch die Thatsachen entschieden für den neuen König von Wirtemberg. So viel sieht man, daß er einen festen Willen für Gerechtigkeit und überhaupt für ein moralischeres Regiment hat, als bisher in der Welt geführt worden. Um so weniger freut mich, was man aus den Zeitungen von den Entwürfen für die wissenschaftlichen Anstalten hört. Ist es denn wahr, daß die katholische Universität nach Tübingen soll verlegt werden? Ich habe Gelegenheit gehabt, die Folgen dieser Vermischungen zu sehen und mich durch Erfahrung zu überzeugen, daß sie höchst nachtheilig für beyde Theile sind. Das wäre, meines Erachtens, doch ein Punct, wogegen die Landstände Einsprache thun müßten. Die Katholiken werden es am wenigsten zufrieden sein; denn es ist vorauszusehen, daß sie in Tübingen nur die Ecclesia pressa sein werden. Die wahre Toleranz besteht im Suum cuique. Auch daß man den besten Professor an der Universität in die Hauptstadt ziehen will (Kielmeyer) leuchtet mir gar nicht ein, so wenig als das Lyceum, mit dem, wie Du schreibst, die Klosterschulen combinirt werden sollen. Gedenkt man denn diese aufzuheben? Wie sich die Unterrichtsanstalten in Wirtemberg einmal bewährt haben, kann jede Veränderung, die das Wesentliche betrifft und nicht bloß dahin abzweckt, sie in derselben Form und Art zu vervollkommnen und zu steigern, nur zum größten Schaden gereichen.
Eine eigentliche Akademie der Künste will mir auch, nach den dortigen Verhältnissen, nicht einleuchten. Erstens fragt sich’s cui bono? Bis jetzt hat Wirtemberg an seinem Einen Bildhauer genug gehabt und diesen nicht einmal beschäftigt. Was soll denn aus zehn, zwanzigen werden, die sich bilden? Und dieß ist nicht zu vermeiden. Gründet der Staat Lehranstalten, so nimmt er auch gewißermaßen die Verbindlichkeit auf sich, die, welche sie benutzen, zu versorgen. Bisher hat es in Wirtemberg auch an Malern nicht gefehlt, so weit man sie brauchte, noch an Baumeistern. Freylich, kann man einwenden, würde Wirtemberg auch den Dannecker nicht haben, wäre nicht die KarlsSchule gewesen. – Wohl! also müßte man Mittel schaffen, daß auch wieder sich einer bilden könnte; aber eine Akademie? Meine Meynung ist, daß, wenn man die Abgüsse vermehrte und in ein Local brächte, wo sie gut beleuchtet wären und junge Leute darnach studiren könnten; wenn ferner in demselben Gebäude ein Saal eingerichtet würde, wo man im Winter täglich Abends nach der Natur studiren könnte, (ein Zimmer auch etwa für das Studium bey Tag im Sommer), und man ernennte einige Mitglieder, die abwechselnd die Aufsicht bey diesem Studium hätten, überließe übrigens jedem Studirenden die Wahl seines Lehrers, daß es ein völlig freyes Institut wäre, das jedermann benutzen und nach eigner Wahl, Neigung und Trieb besuchen könnte: so wäre gewiß das Erfoderliche geschehen, damit die Kunst in Wirtemberg nicht ganz ausstärbe. – Was dagegen sehr nothwendig und nützlich schiene, wäre die Einrichtung einer Bauschule, in der alle zur Baukunst gehörigen Theile und Wissenschaften genau, theoretisch sowohl als, so weit möglich, practisch gelehrt würden. Diese könnte mit dem andern Institut in Verbindung stehen, müßte aber doch eine davon unabhängige innere Einrichtung haben. – Ich habe dieß geschrieben, weil Du mich um meine Gedanken über diesen Gegenstand ersucht hast. Etwas anders ist es allerdings in Baiern. Schon darum, weil dieß zweymal so groß ist. Dann wegen der vortrefflichen Kunstschätze, die man jetzt um alles Geld nicht mehr zusammenbringen könnte. Deßwegen müßte auch jene Lehranstalt in Wirtemberg nur dahin gehen, den Schüler bis zu dem Grad von Fähigkeit zu bringen, wo er selbst studiren kann, und das Beste dabey müßten reichliche Stiftungen thun, von denen man die geschicktesten jungen Leute unterstützte, die eigentliche hohe Schule der Künste, Rom, zu besuchen, nicht auf 1 oder 2 sondern wenigstens auf 5–6 Jahre. Lächerlich wäre, in Stuttg˖[art] eine vollendete und vollendende, oder überhaupt mehr als eine VorbereitungsAnstalt für die Künste haben zu wollen.
Ich habe Dir so weitläuftig über diesen Gegenstand geschrieben, daß ich nun nichts mehr beysetzen kann, als unsre herzlichen Glückwünsche zum neuen Jahr für Dich und Deine liebe Frau. Sie und Dich bitten wir, uns in freundlichem Andenken zu behalten. Schreibe mir doch auch öfter und lasse mich einigermaßen ersehen, was im Wissenschaftlichen pp bey euch vorgeht. Lebe recht wohl.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.
N.S.
Da mein obenerwähntes Büchlein bald fertig seyn kann, so bitte ich Dich sehr (vergiß es aber nicht) mir zu schreiben, wem ich etwa in Stuttg˖[art] 1 Ex˖[emplar] davon verehren sollte? Ob auch Wangenheim und ihm dazu schreiben oder nicht schreiben? Vielleicht, der großen Merkwürdigkeit halber, dem König oder Eurer geistreichen Königin? Schreibe mir hierüber nach dem Stand der Dinge. – Meine Lage ist hier nicht grade die beste, noch habe ich das Versprochene nicht erhalten und werde, wie es scheint, von Tag zu Tag damit hingezogen. Dennoch möchte ich um keinen Preis in der Welt dort den Schein haben, als ob ich das Geringste für mich suchte. Da man nun grade mit solchen Projecten schwanger geht, habe ich mich wohl in Acht zu nehmen. Du kannst mir aber dieß Alles genau schreiben, da der König das Geheimniß der Posten so bestimmt ausgesprochen, daß man nicht zweifeln kann, es werde auch gehalten. – Schreibe mir doch auch über Cotta’s Verhältnisse, die mir mehr als zweydeutig scheinen; und besonders wie er mit Wangenheim steht.
Seit einigen Tagen ist unser KronPrinz wieder außer Gefahr. Er hatte die heftigste Lungenentzündung; in Abwesenheit des Leibmedicus Harz hat ihn Dr. Loë behandelt, den Du bey Breyer gesehen hast und der seit Kurzem zweyter Leibarzt ist. – Man hat ihn oftmal zu Ader gelassen. – Mit Ihm hätten wir viel verloren.