Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Wohlgeborner Herr Professor!

Das schmeichelhafte Gefühl etwas zur Erleichterung der unglücklichen Lage eines gebildeten Mannes beizutragen, mag meine Kühnheit, Ew. Wohlg˖[eboren] beschwerlich zu fallen, entschuldigen. Aber auch dieses mögte mich noch nicht dazu bewogen haben, wenn ich nicht so glücklich gewesen wäre, eine Zeitlang, zwar nur als Gast, ihren Zuhörern mich beizählen zu dürfen; wenn die Erinnerung an den Mann der mein ganzes Gemüth, der alle meine Seelenkräfte an sich riss – mich nicht lehrte, dass ich keine Fehlbitte an Sie thuen würde, sobald ich Ihnen sagte, dass ein Unglücklicher ihr Mitleid, ihre Hülfe in Anspruch nehme.

Wie Ew. Wohlg˖[eboren] aus der Beilage ersehn, hat derselbe erfahren, dass es in Erlangen an Kopisten für das Griechische fehle und bittet desshalb ihm durch Mittheilung solcher Arbeiten seine moralischen Leiden zu lindern und seiner physischen Existenz eine neue Sehne zu verleihn. Für einen freien Menschen ist, leider Pecunia nervus rerum! Wie viel mehr dieses bei einem Gefangenen der Fall sei, wird Ihnen ihr Gefühl sagen. Sollte er so glücklich seyn durch ihre gütige Vermittelung Arbeit zu erhalten, so habe ich die Revision seiner Kopien übernommen um allen Weitläufigkeiten vorzubeugen.

Es würde Mistrauen in ihre bekannte Menschenliebe voraussetzen, wenn ich Sie noch einmal im Namen der Humanität, deren würdiger Priester Sie sind, bitten wollte das anliegende Gesuch an den zeiten Herrn Prorector der Universität, der es, aus ihren Händen erhaltend, gewiss berücksichtigen wird, zu unterstützen und ich empfehle mich also ihrer fortdauernden Gewogenheit als

Ew. Wohlgebohren
Ergebenster Diener

F. Wolter
j.c. Göttingen

Dem Mitleiden und der Unterstützung des Herrn Hofraths und Professors von Schelling empfiehlt sich

Jos. Ossendorfer