Herrn Direktor und Professor Schellings
Hochwohlgebohren
in
Nach einer langen Reihe von Jahren, in welchen ich Sie, mein verehrtester Freund, zwar nicht mehr gesehen, in welchen ich Ihnen aber immer ein Andenken der Verehrung und der Freundschaft gewidmet habe, ist mir die Veranlassung, welche ich habe, aus der Entfernung mich Ihnen zu nähern, von einem grossen Werth. Ich habe die Hofnung, daß Sie mich nicht vergessen haben; unsere Verbindung in Tübingen ist herzlich und vertraulich gewesen. Es sind hohe Verdienste, welche Sie sich erworben haben, ausgezeichnet ist Ihr Ruhm; hieran ist aber auch meine Theilnehmung innig, oft sagte ich an dem Repetenten Tische, Schellings Name werde bald die unsrige verdunkeln, Ihr Name, mein Theuerster, ist nun unsterblich. Nehmen Sie aber auch von mir die Versicherung an, daß ich in meinem eingeschränkten Wirkungs Kreise mit Thätigkeit und mit Treue, ich darf sagen, auch mit glüklichem und gesegnetem Erfolg gearbeitet habe. Ich bin nun in dem hohen Alter, ich danke es der Vorsehung, daß ich meine geistige und physische Kraft noch nicht geschwächt fühle; ich lebe zufrieden und vergnügt in meinem amtlichen und in meinen häuslichen Verhältnissen. Ich darf Ihnen unser Nürtingen nicht anpreisen, Sie haben Ihre erste Bildung in unsern LehrAnstalten erhalten, aber ich folge einer sehr dringenden Auffoderung meines Herzens, indem ich Sie zu einem Besuch bei uns einlade. Unser Freund Köstlin sagte mir, daß sie längere Zeit in Stuttgart zugebracht haben; welche Ehre, welche Freude wäre es für uns gewesen, wenn Sie uns auch hier besucht hätten. Wie viele Hoffnungen würden wir aus der merkwürdigen Periode unseres ZeitAlters, so wie auch aus unserem eigenen Leben einander machen können. Wenn Sie nicht selbst hieher, sondern nur nach Stuttgart wieder kommen sollten, so lege ich Ihnen wenigstens die Bitte vor, daß Sie mich dahin berufen möchten. Noch erlauben Sie mir, Ihnen sagen zu dürfen, daß ich Ihr erstes literarisches Product, die Dissertation über das Philosophem vom Ursprung des Bösen in der Tübingischen Zeitung angezeigt habe.
Ich bin in der reinsten und innigsten Verehrung des Herzens
Ihr ergebenster Freund
Weber.