Kirchheim den
Verehrungswürdigster!
Theurester Freund!
Wie traurig waren wir die lezte Tage deß , welches ich noch so glücklich angetretten, und im Fortgang deßelben so unaussprechlich viel verlohren habe. Gerade ware ich in einer Schmerzlichen Stimmung, als ich Ihr werthes Schreiben erhielte, Wie kan ich Nun für Ihr so innige Theilnahmen genug dancken! ich hielte es für eine wahre Vorsehung, daß mir auf diese Tage eine solche Aufheiterung zu Theil wurde, Gott Seegne Sie dafür, eine ganz andere Stimmung erhielt ich dadurch, ich erzehlte Nun meinen Kindern den ganzen Abend was ich von Jugend auf von Ihnen wußte, und besonders wie ich mich immer in Steinheim freute einen solchen Vetter um mich zu haben. Ja wohl liebster Freund ist bei einer solchen Schmerzlichen Trennung, der Haupt Trost dieser, daß wir hoffen dörfen der entschlafene ist Seelig, er hat gewonnen, Nur wir haben verlohren, Aber ach so schnell so plözlich. Mein theurer vollendeter Gatte Arbeitete noch den biß Abends 7 Uhr, klagte nichts als Mattigkeit, speißte noch mit Apedith, Nachts 12 Uhr Merckte ich daß er kranck waere, ich schickte sogleich nach Ärztlicher Hilfe, bei deßen Ankunft hatte er noch das volle Bewußtsein, gleich nachher wurde er gefragt, ob er KopfSchmerzen habe? Nein sagte er, in meinem Kopf sieht es so aus wie Luther sagte, daß wir im Glauben aufs Verdienst Jesu Seelig Sterben können
. Von diesem an, ware er nur noch auf Augenblicke bei sich, und schon den Mittags nach 12 Uhr entschlief er, der Schlag habe ihn aufs Hirn getroffen, erklärte der Doctor. Ich glaube gewiß er bettete im ersten Augenblick um Kräft und Trost, für seine hinterbliebenen, denn wir wurden Sichtbar gestärckt, in der lezthalben Stunde kniete ich an seinem Lager, als eins sagte, Nun ist es aus, fiele ich über ihn hin, er bewegte sich noch einmahl, bald darauf hatte ich Kraft, ihm die Augen zuzudrücken, unter den Gefühlen deß heißesten Dancks, ach was war er mir, meinen Kindern und Geschwistrigen, er ware noch mein Erzieher, ich genoß das Glück in 42 Jähriger Ehe mit ihme verbunden zu sein. – – – – Was er der hiesigen Gemeinde und Dioceß ware, das zaigte nicht nur die algemeine Trauer um ihn, sondern wir hinterbliebene haben es auch jezt noch zu geniesen, ja ich darf sagen die Nemmliche Achtung und Liebe wie vorhin. Von Kirchheim hätte ich mich unmöglich trennen können, ich wohne oben im Hauß bei Herrn Doctor Öesterle. Meine Kinder alle umfaßten mich mit dopelter Liebe, ein jedes sucht meine Laage zu erleichtern, die jüngern wollten mich gar mit ihrer Hände Arbeit unterstüzen, doch GottLob bißher ginge es so gut, daß wirs nicht Nöthig hatten es wurde auf vielerlei Art für mich gesorgt, die Vorsehung Gottes hat sich so an mir verherrlicht, daß ich Nie genug danckbar sein kan. Auch meine Kinder freute Ihr gütiges andencken ungemein, und sind Ihnen gleich danckbar. Mein ältester Sohn ist Pf[arre]r˖ in Jesingen hat 3 Kinder der 2te Pf[arre]r˖ in Grözingen, der drite Oberamtsactuar in Leonberg, Meine älteste Tochter Ricke ist schon ins 5te Jahr Wittwe, sie wurde es mit 4 unerzogenen Kinder, und konnte in Grözingen bei ihrem Bruder im Hauß bleiben, welcher der Nachfolger ihres S˖[eeligen] Gatten wurde. Würcklich ist sie bei mir hier und brachte mir ihren 11 Jährigen Sohn in die Kost, wegen der latinnischen Schule. Die 2te Tochter Nanne ist seit Anno recht glücklich verheirathet an Helfer Löffler in Leonberg und hat 4 Kinder; 3 Töchtern habe ich noch bei mir, die mir auf jede Weise, Mein Nun einsammes Leben zu versüßen Suchen. 2 Söhne habe ich auch in der Kost, von meiner Schwester Hanne, welche an Stattschreiber Dieterich in Hornberg verheirathet ist. Es scheint oft ich seie bestimmt biß ins Grab Kinder zu erziehen, und immer weniger finde ich mich geschickt darzu. O Wie vieles hat sich geändert, Seit wir uns zum leztenmahl sahen, Auch Sie Theurer Freund haben inzwischen die Würdigste Eltern verlohren, Aber auch mir ware der Verlust mehr als Groß, indem ich beede als meine 2te Eltern verehrte und liebte, Mein Danck folgte Ihnen nach in die Ewigkeit. Wir waren so glücklich beede noch zu Sprechen vor Ihrem Ende, In Leonberg hörten wir Ano daß Ihre theure Eltern sich in Stuttg˖[art] befinden, wir machten uns die Freude Sie auf der Heimreise zu besuchen, da durften wir zum leztenmal die zärtliche väterliche Liebe Ihres Lieben S˖[eeligen] Herrn Vaters geniesen, Er ware noch so haiter, daß ich nicht dachte zum leztenmal, doch ware es gut wie schmerzlich wäre der abschied gewesen. Ihre auch mir so theure Frau Mutter besuchten wir noch einigemal in Stuttg˖[art] und das leztemal sprachen wir dieselbe hier, wo Sie Ihre StiefEnckelin Augusta Groß Herrn Steuerrath Dörs in die Kost brachte, damals versprach Sie uns, in diesem Sommer uns Expreß zu besuchen, wie uns dieses freute, und als ich oft nachdachte, Ihr den aufenthalt angenehm zu machen, kamme plözlich die erschütternde Nachricht von Ihrem so schnellen , ich konnte damals meinem gepreßten Herzen nicht anders Luft verschaffen, als durch ein Schreiben an Ihre liebe Frau Schwester Große in Stuttg[art]. Eben Ihre auch mir unvergeßliche Frau Mutter ware es, durch die ich immer Nachrichten von Ihnnen erhielte, Wir stunden einst in Stuttg˖[art] lange vor Ihrem Bildniß wo Sie mir immer von Ihnen erzehlte, auch daß Sie liebster Freund wieder so glücklich vermählt seien, und wo der grose Wunsch bei mir entstund Ihre Gattin auch kennen zu lernen, Es war als Ihnen der 2te Sohn gebohren wurde, wir theilten recht unsere Freude miteinander. In der Stille mache ich mir doch oft Hoffnung Sie hienieden auch noch einmahl zu sehen, Sie haben noch Geschwistrige, und so viele Freunde, dennen es so wohlthun würde.
Ihnen und Ihrer theuren Frau Gemalin empfehlen sich mit mir meine Kinder auf das angelegentlichste. Küßen und grüßen Sie Ihre lieben Kinder in meinem Nammen.
Mit inniger Liebe und Hochtung
Ihre
aufrichtig Sie verehrende Freundin
S.C. Pfeifer.