An
Frau Prälatin von Schelling
in
München den .
Liebste Mutter!
Es hat mich so sehr erfreut, wieder einen Brief von Ihnen zu erhalten, noch ehe Ihnen die meinigen zugekommen waren. Wie ich sehe, erfahren Sie schon den Segen unseres theuren Vaters. Der Beschluß in Ansehung Ihrer ehrt das Andenken unsres Vaters zugleich indem er Ihre Lage erleichtert. Ach, beste Mutter, verlassen Sie sich nur darauf, es wird gewiß für Sie gesorgt werden, auf alle Weise und von allen Seiten. Die Worte unsres verewigten Vaters werden wahr werden an Ihnen. Er selbst wird Sie trösten, ohne daß Sie es wissen, durch unmerklichen Einfluß – auch über die großen Leiden, die er zuletzt noch ausgestanden, und die ihm jetzt gewiß schon auf’s Überschwenglichste vergütet sind. Ich freue mich so sehr, daß Sie auch wegen einer guten Wohnung in Stuttgart schon beruhigt sind. Freylich verliere ich nun die Hoffnung fast, mit der ich mir einige Tage recht viel Freude bereitet habe, die liebe Mutter bey mir zu sehen. Es scheint, die andern Geschwister sind mit diesem Gedanken nicht zufrieden gewesen; wenigstens antworten sie mir gar nicht darauf. Ich kann es ihnen nicht verübeln, wenn Sie die liebe Mutter festhalten. Ich muß hier freylich nachstehen; doch bleibt es so lange ich lebe bey meiner Gesinnung: jetzt oder künftig, wann es der lieben Mutter gefiele, wird sie ihre Stätte bey mir bereitet finden. Lassen Sie mich, liebste Mutter, doch bald Ihre ganze Gesinnung wissen. Geben Sie Ihre Briefe nur ganz unfrankirt auf die Post; man kann von Würtemberg hieher ganz unfrankirt schreiben, und mich kosten sie nichts; man kann nur nicht durchaus frankiren. Karl behält Ihre Briefe so lange; der letzte, am geschrieben, ging erst am von Stuttgart ab. Schreiben Sie mir doch genau alles, wie es Ihnen geht, und wie Sie sich befinden. – – Aber was soll ich denn dazu sagen, liebste Mutter, daß Sie unter den gegenwärtigen Umständen an die Trauben gedacht haben, um die ich Sie unter so ganz anderen Hoffnungen gebeten habe? Es rührt mich innigst, daß Sie in einem Augenblick, der so viel Lästiges hat, sich auch damit noch in Ungelegenheit setzen wollten. Und noch dazu, muß ich fast aus einem Wort von Karl schließen, daß diese Trauben gekauft sind. Liebste Mutter, so war es ja nicht gemeynt. Nur wenn Sie einen Überfluß von solchen haben, wollte ich Sie bitten, mir etwas davon zukommen zu lassen. Empfangen Sie meinen und meiner Frau herzlichsten Dank dafür. Sie sind vortrefflich; wir haben sie unter tausend Wünschen für die liebe Mutter genossen. Meine Frau ist trostlos, Ihnen, liebe Mutter, noch immer nicht selber schreiben zu können. Wie viel hat sie Ihnen zu schreiben! Dank, der den Vater nicht mehr erreicht, und den Ausdruck ihres lebhaft gefühlten Schmerzens und aller andern Gesinnungen, worinn sie mit mir übereinstimmt. Sie hat ein gar gefühlvolles Herz. Die Nachricht vom Tode unsres lieben Vaters hat sie sehr afficirt. Ich bereitete sie erst darauf vor, als ich sie schon erhalten hatte. Aber ein nachfolgender Brief von Karl, dessen schwarzes Sigel sie erblickte, sagte ihr mit Einem Mal was geschehen war. Von dem Tag an wurde sie krank, bekam heftiges Kopfweh und eine große Erhitzung des Bluts. Sie wurde zwar auf einen Tag wieder besser; da sie sich aber nicht schonte, traten bald noch bedenklichere Umstände ein, welche fast eine zu frühe Niederkunft besorgen ließen. Gott sey Dank, diese Gefahr scheint jetzt vorüber zu seyn, ob sie gleich noch immer krank ist und auf dem Bette ganz ruhig liegen muß. Entschuldigen Sie sie eben mit diesen Umständen, daß ich immer allein schreibe und bitten Sie auch Gott, daß er ihr hindurchhelfen und uns diese Hoffnung erhalten wolle, deren ich mich nun doppelt freue, da sie auch unser lieber Vater noch erfahren hat. –-
Nun der Himmel erhalte Sie, liebste Mutter; geben Sie dem Schmerz und der Trauer nicht zu viel Raum, erfüllen Sie Ihr Herz ganz mit Hoffnung, Glauben und Liebe. Diese ist doch das Mächtigste. Lieben Sie auch uns wie bisher, ich freue mich, bald wieder von Ihnen zu hören und bin
Ihr
treu-ge˖[horsamster] S˖[ohn]
Fr.