An
die verwitterte Frau Prälat
von Schelling
abzugeben im Fürstischen
Hause zu
fr˖[ey] Gr˖[änze]
Liebste, theuerste Mamma!
Ihren verehrten Brief vom habe ich zugleich mit einem Schreiben von Karl erhalten, das mir ohngefähr die nämlichen Nachrichten ertheilte. Ich müßte ohne alles Gefühl seyn, wenn Ihr sehnlicher Wunsch, mich im Vaterland zu seh’n, und Ihr lebhafter Ausdruck desselben mich nicht rührte. Der Himmel weiß, daß nächst der Rücksicht auf meine Söhne, der Gedanke, in der Nähe meiner lieben Mutter zu seyn und Ihr bisweilen zum Trost werden zu können, das mächtigste Motiv eines ähnlichen Wunsches für mich seyn würde, wenn ich nicht besser hielte, Wünsche, von denen die Erfüllung nicht mit näher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, lieber gar nicht aufkommen zu lassen. Durch die Äußerung von Hartmann, dessen vertraute Freundschaft mit Herrn von W˖[angenheim] ich wohl kenne, hat freylich die Sache wieder einen anderen Anschein bekommen. Nicht, daß ich selbst darum einen Schritt thun könnte; dieses verbietet mir mehr als Ein Grund, welche zu melden allzuweitläuftig seyn würde. Wenn ich aber früherhin äußerte, daß auch von Seiten der Meinigen kein Schritt, ja keine Äußerung in der Sache, meines Erachtens, geschehen sollte, so hat sich dieß nunmehr einigermaßen verändert. Ich war dieser Meynung, weil ich von der Voraussetzung ausging, es sey an keinen Canzler der Univ˖[ersität] zu denken, als der zugleich Professor der Theologie wäre. Allein dieses zu werden, ist mit solchen, theils in mir selbst theils in den Vorurtheilen der Mehrzahl gegründeten Schwierigkeiten für mich umgeben, daß ich allen Gedanken gleich aufgeben mußte, so bald diese Voraussetzung stattfand. Nun ist man darüber, wie es scheint, hinaus, indem man einen Juristen dazu machen will. Unter diesen Umständen kann zwar immer von meiner Seite nichts geschehen, aber ich glaube es wenigstens den Meinigen freystellen zu dürfen, ob Sie etwas dafür thun wollen. In diesem Sinn habe ich auch Karl’n darüber geschrieben. Was er aber und wie er es thun – oder durch andere thun lassen – wolle, darüber kann ich nichts bestimmen. Hierüber werden Sie und ganz zuverläßige Freunde, dergleichen Sie gewiß z.B. an Herrn Min˖[ister] von V˖[ellnagel] haben, am besten zu Rathe geh’n. Zu überlegen kommt dabey noch, daß eine jetzt stattfindende Verzögerung kaum die Erwartung einer späteren Erfüllung übrig läßt. Theils ist auf das kurze Leben auch des ältesten Mannes nicht zu zählen, theils wird die Stelle, einmal in den Händen eines Juristen, diesem nicht mehr zu entreißen seyn, theils sehe ich, nach dem natürlichen und fast nothwendigen Lauf der Dinge voraus, daß inzwischen auch mit mir eine Veränderung vorgehen wird. Ich habe zwar bis jezt jeden Antrag nach Berlin zu gehn mir ferne gehalten; allein er wird am Ende doch noch kommen, und wenn ich sonst keine meinen Wünschen entsprechendre Wirksamkeit in der Nähe erhalten kann, werde ich mich, wenn auch noch so ungern, entschließen, in den fernen Norden zu gehen. Ich glaube daher, daß, was geschehen kann, jetzt geschehen müßte. Dieses ließe sich auch bey Herrn von W˖[angenheim] geltend machen, der mehr als Einmal, mündlich und schriftlich mir versichert hat, er werde nicht ruhn, bevor er mich meinem Vaterland wieder gegeben, der auch sicher noch diese Idee und diesen Willen hat und dem nur bemerklich gemacht werden müßte, daß die gegenwärtige Gelegenheit die einzige sey. Daß übrigens alles nur mit der äußersten Vorsicht und Überlegung geschehen müsse, brauche ich Ihnen und Karl nicht zu sagen. Vielleicht sind wir aber allen Gedanken an diese Sache in diesem Augenblick schon enthoben, und in diesem Fall bitte ich Sie nur, liebste Mamma, auch dieses für das anzuseh’n, was es gewiß ist, für eine glückliche Fügung. Denn wenn ich jeden Schritt mir verbiete, so ist ein Hauptgrund eben die Ungewißheit, ob und inwieweit auch der gewünschte Erfolg zu meiner wahren Zufriedenheit ausschlagen werde.
Unsere Kinder haben wir, Gott seyn Dank! alle im besten Wohlseyn wieder gefunden. Die Zeit erlaubt nicht mehr hinzuzusetzen, als daß wir uns Ihnen und den Unsrigen, alle aufs Innigste empfehlen, und Sie bitten, bey Karl doch ja den Vorschlag recht lebhaft zu unterstützen, den ich ihm gemacht habe, zu seiner – wie mir aus allen Umständen zu erhellen scheint, höchst nöthigen – Erhohlung mit seiner lieben Frau und Ihnen uns wieder zu besuchen. Bey einer andern Einrichtung der Reise wird es ihm viel weniger Zeit kosten, und auf 14 Tage kann er sich doch gewiß entfernen.
Ich bin und bleibe mit zärtlichster Verehrung
Ihr
treugehorsamster
Fr.