Hochwohlgebohrner Herr,
Insonders hochzuverehrender Herr MinisterialRath!
Ew. Hochwohlgebohrn verehrliches Schreiben vom ist mir zwar nach Carlsbad, wohin ich mich begeben hatte, nachgeschickt worden, aber nicht eher, als in den letzten Tagen meines Aufenthalts daselbst zugekommen; daher ich vorzog, erst nach meiner Rückkehr bey größerer Ruhe dasselbe zu beantworten.
Wenn die Äußerungen besondrer Güte, ja eines freundschaftlichen Wohlwollens in dem Schreiben des Mannes, dessen oberster Leitung und Fürsorge alle geistigen Angelegenheiten unsres Vaterlandes zunächst übergeben sind, mir nicht wohl anders als höchst schmeichelhaft und erfreulich seyn konnten, so mußte ich unter so manchen günstigen Vorzeichen mit besondrer Rührung den Umstand bemerken und gewissermaßen als höhere Fügung ansehen, daß der Ruf zu einer neuen, ehrenvollen Bestimmung mir durch Vermittlung eines Mannes zutheil werden sollte, an dessen Namen schon für mich die angenehmen und zarten Erinnrungen dankbarer, nie aufhörender Verehrung und einer auch über dieses Leben hinaus reichenden Freundschaft geknüpft sind.
Ew. Hochwohlgebohrn Schreiben überhebt mich der Nothwendigkeit, nochmals im Allgemeinen die Bereitwilligkeit zu erklären, dem Rufe S[eine]r˖ Majestät unsres AllerGnädigsten Königs zu folgen: da indeß diese Bereitwilligkeit weder auf einem allgemeinen Wunsche beruht, meine gegenwärtige Lage zu verändern, mit der ich vollkommen zufrieden bin, noch auf einer besondern Neigung, gerade nach München zu kommen, (so hoch ich immer die Vortheile und die – noch nicht einmal vollständig zu berechnenden – Vorzüge dieses Aufenthalts unter den neuen Verhältnissen anschlage); da diese Bereitwilligkeit vielmehr ganz allein auf dem tiefen Gefühl von Ergebenheit gegen die Person des Königs beruht, welche natürlich bewirkt, daß ein Wunsch S[eine]r˖ Majestät für mich einem Befehl gleichkommt: so muß eben diese Stimmung mich verhindern, unter irgend einer Form, wäre es auch die bescheidne der Wünsche, Forderungen zu machen und mich in den Fall zu setzen, von irgend einem Menschen angesehen zu werden, als wollte ich eine günstige – vielleicht zu günstige Meynung benutzen, um mir Auszeichnungen oder Vortheile zu verschaffen, die ich in der That auf keine Weise verlange. Es bliebe nun allerdings das Dritte, nämlich überhaupt nichts zu verlangen. Allein auch dieß kann ich mit meiner Denkart nicht in Einklang bringen. Denn es wäre offenbar gegen Pflicht und Gewissen gehandelt, unbedingt eine Bestimmung anzunehmen, zu deren vollständigen und ungestörten Erfüllung mir die Bedingungen mangelten. Dieß würde aber z.B. ohne eine bedeutende Verbesserung meiner ökonomischen Verhältnisse der offenbare Fall seyn – bey der Sorgfalt, welche meine Gesundheit erfordert auf der einen, und den – in München vielleicht mehr als unter gleichen Verhältnissen irgendwo – erschwerten Bedingungen eines einfachen, aber der Gesundheit zuträglichen und behaglichen Lebens – um so mehr der Fall seyn, als zwischen meinem früheren und dem jetzt in Antrag stehenden Aufenthalt in München mehr als verflossen sind, während welcher theils meine Familie sich vermehrt hat, theils meine Kinder älter geworden sind, von denen ich die zwey ältesten Söhne, wegen der bisherigen Beschaffenheit unsrer Schulen, mit – für mich großen Kosten auf einer auswärtigen Schule erhalten muß.
Unter diesen nur kurz angedeuteten und nicht einmal vollständig vorgetragnen Umständen werden Ew. Hochwohlgebohrn mich vollkommen begreifen, wenn ich erkläre, daß ich zwar einen bestimmten, meinen Gesamtverhältnissen angemeßnen Antrag mit Ergebenheit erwarten, aber nicht wohl selbst einen Vorschlag thun kann.
Vielleicht indeß, daß die Huldreiche, gewährende Antwort, welcher Seine Königliche Majestät meine alleru˖[nterthänigste] Bitte, auf jeden Fall noch bis zum in Erlangen bleiben zu dürfen, gewürdiget haben, vorläufig eine augenblickliche Entschließung überhaupt überflüssig macht, und Ew. Hochwohlgebohrn Selbst nicht weniger vorziehen, die Sache vor der Hand auf sich beruhen zu lassen, als es mir natürlich erwünscht seyn würde, die weitere Entwicklung der bevorstehenden Organisationen sowohl der Universität als der Akademie der Wissenschaften abzuwarten, ehe ich einen letzten – wie er auch immer ausfalle nicht nach Rücksichten persönlichen Vortheils sondern nach der strengsten Gewissenhaftigkeit und daher nach möglich genauester Kenntniß abzuwägenden – Entschluß fasse.
Sollte es aber nichtsdestoweniger in den Absichten und den Wünschen Ew. Hochwohlgebohrn liegen, daß diese Sache jetzt schon zu einem vorläufigen Abschluß gebracht werde, so werde ich für diesen Fall den Herrn von Kerstorff ersuchen, die näheren Anträge, welche Ew. Hochwohlgebohrn in dieser Beziehung mir zukommen zu lassen geneigt seyn könnten, entgegenzunehmen.
Da Ew. Hochwohlgebohrn die Güte gehabt haben, mich von einigen Personalbestimmungen näher zu unterrichten: so gibt mir dieß Veranlassung zu bemerken, daß der für den Vortrag der Anfangsgründe der Philosophie, insbesondere der Logik und Metaphysik ernannte Lehrer, nach dem, was Ew. Hochwohlgebohrn darüber zu bemerken gefällig gewesen, mir als College ganz recht seyn würde. Ob ich gleich selbst keine nähere Kenntniß von seinen Verdiensten habe, bin ich doch überzeugt, daß er seinen Platz besser ausfüllen wird, als irgend einer der früher an den höheren Lehranstalten in Landshut oder München angestellt gewesenen Lehrer desselben Fachs. Dagegen weiß ich nicht, ob für das Fach der Physik in dem Grade gesorgt ist, als es die hohe Wichtigkeit und Bedeutung desselben für die Universität, wie für die Akademie der Wissenschaften erfordert. Es wäre wohl der Mühe werth und würde im Fall meines Hinkommens auch meine Vorträge sehr unterstützen, wenn dafür noch etwas Besondres geschähe. Zufällig wäre ich im Stande, einen Mann zu nennen, der sich schon Namen in diesem Fach erworben, der in der Blüthe seiner wissenschaftlichen Wirksamkeit ist, und nicht bloß eine müßige Zierde sondern für beyde Anstalten eine bedeutende ja vielleicht zum Theil entscheidende Erwerbung seyn würde, von dem ich überdieß vermuthe, daß er um mäßige Bedingungen zu erlangen wäre und nicht, wie ich von mehrern andern zu besorgen Ursache habe, den nach Bayern erhaltnen Ruf nur benutzen würde um zu Hause bessere Bedingungen zu erlangen.
Mögen Ew. Hochwohlgebohrn es, auf Rechnung der gütigen, ja ich darf sagen freundschaftlichen Weise, mit der Sie mir jene Notizen mitzutheilen die Gewogenheit hatten, – verzeihen, daß ich mir diese Erwähnung erlaubte.
Was mich selbst betrifft, so ist nach den schon angeführten Gründen und bey dem Bedenklichen, welches der von mir geforderte Entschluß jederzeit z.B. in Ansehung meines Gesundheitszustandes mit sich führen würde, wohl ein sehr natürliches Gefühl, vermöge dessen ich in dieser Sache mehr leidend als täthig, mehr höherer Leitung mich hingebend als vorgreifend, eher bestimmte Anträge zu erwarten als Forderungen zu machen geneigt bin. Und so sey denn diese Angelegenheit mit dem innigsten Zutrau’n ganz Ihrer Vermittlung übergeben, mit der Versicherung, daß ich mit nicht geringerem Danke es erkennen werde, wenn mir in Folge dieser Vermittlung in meiner bisherigen Lage zu bleiben verstattet wird, als wenn ebendiese es mir möglich machen sollte, mit völliger Beruhigung und wahrer Überzeugung dem Rufe nach München zu folgen.
Mögen Ew. Hochwohlgebohrn immerhin mir erlauben, die altgewohnte Verehrung für Ihre Familie vollkommen auf Sie überzutragen, und daher – nicht als bloß förmliche sondern als persönliche und inwohnende diejenigen Gesinnungen ausgezeichneter Verehrung und wahrer Ergebenheit ansehen, mit welchen ich verharre
Euer Hochwohlgebohrn
ganz gehorsamster Diener
Schelling.
Erlangen den .