Was werden Sie denken, theurester Freund, daß ich es wieder so lange anstehen lassen, Ihnen zu schreiben? Allein ich stelle Sie mir vor ganz verschlungen in die großen Angelegenheiten unseres Vaterlandes und daß Sie wenig bemerken, ob Ihre auswärtigen Freunde Ihnen schreiben oder nicht. Dank für einige Aufschlüsse, die Sie mir gegeben. Die letzten Acten-Stücke in der Allg˖[emeinen] Zeitung sind nicht sehr erfreulich, ausgenommen daß ich an der geistreichen und kraftvoll-würdigen Sprache in den Königlichen Erlassen mich wahrhaft geweidet. Es wäre schlimm, wenn unsre ehrlichen Landsleute noch am Ende gar ein Werkzeug in den Händen des Adels würden. Was Sie mir ferner vom Stand der Dinge mittheilen können und wollen werde ich mit dem größten Dank annehmen.
Haben Sie die Recension meiner samothrac˖[ischen] Abh˖[andlung] in der Hallischen L˖[iteratur] Z˖[eitung] gelesen? Der Verf˖[asser] ist Herr Prof. Köppen in Landshut, ein Günstling und Vorfechter Jacobis, der in jener Zeitung stets alle meine Schriften beurtheilt. Es ist schon an sich schändlich, daß einem notorisch in literarischer und persönlicher Gegnerschaft mit mir stehenden Menschen dort alle meine philos˖[ophischen] Arbeiten überlassen werden; aber daß ihm auch eine durchaus gelehrte Abh˖[andlung] über einen Gegenstand, von dem ihm eigene Kenntnisse gänzlich mangeln, preisgegeben wird, ist doch zu grob. Ich irre mich in dieser Vermuthung nicht, denn obgleich sich die Rec˖[ension] einen Anstrich von Gelehrsamkeit zu geben sucht, so zeigt sie doch keine andre Kenntnisse als die aus der Ab˖[handlung] selbst geschöpft sind und nur verdreht werden. Solche Recens˖[ionen] meiner philos˖[ophischen] Schriften habe ich immer verachtet; wenige sind so einfältig oder unbekannt, nicht zu wissen, daß dieß bloße Parteyschriften sind. Aber in diesem Fach gelehrter Forschung ist jene Abh˖[andlung] mein erstes Werk; niemand kann glauben, daß auch hier jene Partey im Spiel sey: unter diesen Umständen und da ich die wirklich in’s Unglaubliche gehende Unkenntniß oder (wenn es absichtliche Verdrehungen sind, wie fast zu glauben ist, weil solche Misverständnisse unabsichtlich kaum stattfinden können) – Unverschämtheit des Recens˖[enten] augenscheinlichst darthun kann, scheint es mir doch nöthig, eben auf diese Rec˖[ension] öffentlich zu antworten. Ich bitte Sie über diese ganz eigne Lage, in der ich mich befinde, unaufhörlich vor unsrem deutschen Publicum in jener Zeitung von meinen wüthendsten Feinden heruntergerissen, geschmäht, ja verläumdet zu werden, einen Augenblick ruhig nachzudenken, und mir dann Ihre Meynung darüber zu sagen. Ich wäre nicht abgeneigt, diese und noch eine andre (obwohl weit bessere) Recension zusammen, mit ganz kurzen Anmerkungen abdrucken zu lassen? Würden Sie dieß gut finden und mir dazu die Hände bieten?
Es ist hier vor etlichen Tagen eine Abhandlung über die älteste Kunst-Epoche Griechenlands erschienen, von der man suchen wird, viel Aufhebens wenigstens in nichtgelehrten Blättern zu machen. Desto schlimmer für uns, da der Verf˖[asser] von Kunst weder Kenntnisse noch reife Anschauung besitzt, und ihn bey dieser Arbeit sogar sein sonstiger Takt für philologische Genauigkeit verlassen hat. Wir müssen wünschen, daß man auswärts wenigstens nicht glaube, es lasse sich irgend Jemand von dengleichen hier imponiren oder man dürfe in München eben alles schreiben. Ein hier befindlicher auswärtiger Gelehrter hat über diese Abh˖[andlung] einen trefflichen und (ohne alle Beleidigung) gründlichen Aufsatz zu schreiben angefangen. Ich biete Ihnen denselben für das kürzlich begonnene Kunst-Blatt an, dem er gewiß sehr wohl anstehen würde. Die Sache ist übrigens so beschaffen, daß niemand es übel gethan finden wird, wenn so unberufenen Schwätzern auf humane Art das Maul gestopft wird.
Leben Sie recht wohl; empfehlen Sie mich schönstens Ihrer Frau Gmalin, und erhalten Sie die alte Freundschaft
Ihrem
Ganz ergebensten
Schelling.